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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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hob den Kopf und kniff seine Augen zusammen. Am Waldrand bewegte sich nichts.
    »Schoos! Kandl!« kreischte Urban.
    Er ahnte, daß er keine Antwort mehr erhalten würde, und jagte eine Reihe von Schüssen in die Dunkelheit. Vergeblich.
    Eine Kugel fuhr klockend in die Karosserie. Eine zweite traf den Reifen. Pfeifend senkte sich der Wagen. Urban schoß zurück. Ein Ast brach; einige Äpfel fielen zu Boden.
    Splitternd zerbarst die Frontscheibe. Urban fühlte ein dünnes Brennen an der Wange. Entsetzt tastete er danach und fühlte eine laue, klebrige Flüssigkeit. >Ich werde häßlich<, dachte er verwirrt. Dann zischte auch der zweite Reifen. Der Schütze mußte die Stellung verändert haben. Urban wußte, daß er keine Chance gegen ihn haben würde. Der Unbekannte konnte sich unbemerkt im Halbrund des den Hof umgebenden Waldes bewegen und schließlich eine Position finden, von der aus er ihn schutzlos vorfinden würde.
    Urban zog sich hastig seine Jacke aus, bündelte sie und warf sie hoch. Sofort dröhnten zwei Schüsse. Urban schrie getroffen auf, taumelte aus der Deckung, fiel zu Boden und blieb bewegungslos liegen.
    Eine hochgewachsene, schmale Silhouette löste sich aus dem Schatten. Sie schien unschlüssig. Zögernd setzte sie Schritt vor Schritt. Sie hielt ein Gewehr im Anschlag.
    Urban öffnete die Augen einen winzigen Spalt. Der Unbekannte trat schwarz vor den Mond, dessen Licht sein wüst abstehendes Haar umkränzte. Wieder blieb er stehen und schien sich versichern zu wollen, ob von dem am Boden Liegenden keine Gefahr mehr ausginge. Urban hielt den Atem an. Wieder knirschte der grobe Sand unter den bedächtigen Tritten.
    Eine heftige Bö fegte über den Platz, verfing sich im raschelnden Blattwerk und legte sich wieder.
    Der Schwarze ließ plötzlich die Schultern sinken. In unendlicher Erschöpfung fiel er auf die Knie. Urban vernahm ein leises Schluchzen.
    »Warum…?« wimmerte der Unbekannte.
    Sein Gewehr kippte zur Seite. Urbans rechte Hand schnellte hoch. Im sekundenkurzen blauen Blitz des Schusses war ein verstört blickendes Augenpaar zu sehen. Der Unbekannte fiel auf den Rücken und bewegte sich nicht mehr.
    Urban erhob sich und trat näher. Ungläubig wanderte sein Blick über die verheerten Züge des Erschossenen. Das Gesicht des Toten lag gegen das Licht des Mondes. Urbans Puls schlug plötzlich so heftig, als hätte er einen Schlag erhalten. Er hatte ihn erkannt.
    Mit einem Ruck richtete er sich auf. Er schnappte nach Atem. Eine närrische Freude durchströmte ihn.
    Plötzlich flammte das Hoflicht auf. Urban begriff nichts. Schon spritzte der Schotter neben ihm auf. In Panik hastete er hinter das Auto. Ein Fenster der Mühle hatte sich geöffnet. Mit einer schnellen Bewegung begab sich Urban aus seiner Deckung und feuerte in das dunkle Rechteck. Glas splitterte, doch sofort antworteten zwei weitere Feuerstöße und schlugen in das Autoblech.
    Urban tastete bebend an seine Wange, die nun wie nach einer heftigen Ohrfeige zu brennen begonnen hatte. Er zwang sich, sein Entsetzen zu unterdrücken. Ein hilfloser, unbändiger Zorn ergriff ihn. Schwer atmend sah er sich um. Wenn er an dieser Stelle blieb, hatte er keine Chance. Sobald er versuchen würde, aus dem Lichtkegel des Hofs zu laufen, um das rettende Dunkel des Waldrandes zu erreichen, würde ihn sein Gegner sehen können. Es gab nur noch eine Möglichkeit: Er mußte versuchen, in den Winkel des Hauses zu gelangen, von dem aus der andere ihn nur noch treffen konnte, wenn er sich suchend aus dem Fenster lehnen würde. Einige Meter wären dabei zu überwinden, doch der Schütze schien offenbar mit einem doppelläufigen Gewehr zu feuern - Urban hatte also nach jedem Schußpaar einige Sekunden Zeit. Bis sein Gegner eine neue Position erreicht hatte, könnte er das Hauseck erreichen, wäre dort ebenfalls wieder einige Minuten, die er brauchen würde, um den Waldrand zu erreichen, geschützt. Anschließend müßte er versuchen, sich nach München durchzuschlagen, sich ein Alibi zu organisieren, um später den Ahnungslosen zu spielen, wenn die Polizei ihn nach dem Verbleib seiner Männer und seines Autos fragte. Jedoch… dieser zweite Gegner würde bezeugen können, daß dies eine Lüge war. Und vor allem: Er mußte auch den Mann gekannt haben, den Urban vor wenigen Augenblicken erschossen hatte - und würde auch um dessen Geheimnis wissen.
    Urban gab wieder einen Schuß ab. Sofort antworteten zwei Einschläge. Urbans Körper spannte sich. Er

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