Die Götter der Flusswelt - Flusswelt-Zyklus 5
nötig war.
Es gab jedoch einen unwiderlegbaren realistischen Grund, warum einhundert Jahre die Grenze für die Menschen waren. Die Energie, die man benötigte, um die Gräle zu füllen, wurde der Wärme des geschmolzenen Nickel-Eisen-Kerns dieses Planeten entzogen. Die zur Verfügung stehende Energie war zwar gewaltig, aber auch der Verbrauch. Die Ethiker hatten möglicherweise ausgerechnet, daß einhundert Jahre für die Menschen, die von 100.000 v. Chr. bis 1983 n. Chr. gelebt hatten, und einhundert Jahre für die nächste Gruppe, all jene, die nach 1983 n. Chr. gelebt hatten, die abzapfbare Energie verzehren würden. Bei der Wärme, die die thermionischen Konverter abzogen, würden zweihundert Jahre den Kern bis zu jenem Punkt auskühlen, an dem er nicht mehr den Erfordernissen entsprach.
Loga, der Ethiker, hatte den Energiemangel nie erwähnt. Er mußte davon gewußt, und dieses Wissen mußte Abscheu und Schuld in ihm erzeugt haben. Dann war Nur auf diesen Gedanken gekommen und hatte den Computer angewiesen, ihm die Berechnung für die benötigte Energie beider Projekte zu liefern. Und die Antwort war so ausgefallen, wie Nur sie erwartet hatte. Ja, sogar der Kern dieses Planeten, der etwas größer war als der der Erde, würde seine weißglühende Hitze verlieren und innerhalb von zwei Jahrhunderten rot und schwach werden.
Logas Eltern, Geschwister, Vettern und Kusinen befanden sich noch im Flußtal. Jeder von ihnen war zumindest einmal getötet worden; keiner war Vorangeschritten. Loga hatte das Projekt durchkreuzt und sich die anderen Ethiker und deren Agenten vom Hals geschafft, damit seine Familie über die ihr zugestandene Zeit hinaus überleben und, so hoffte Loga, jenes Stadium erreichen konnte, in dem man Voranschritt.
Dies bedeutete jedoch nicht, daß das erste Projekt nicht beendet werden würde, sobald die einhundert Jahre abgelaufen waren. Er konnte seine Lieben retten, indem er sich vergewisserte, daß ihre Körperaufzeichnungen nicht gelöscht und ihre Wathans freigesetzt wurden, um so lange, wie das Universum existierte - oder noch länger - umherzutreiben. Er konnte die Existenz der ersten Gruppe beenden und die nächste planmäßig ins Leben rufen. Die kleine Abweichung vom vorgesehenen Plan würde darin liegen, daß seine Familie auch weiterhin im Flußtal leben würde. Sie würde Teil der nächsten Gruppe sein und so ein zusätzliches Jahrhundert bekommen.
Aber wenn diese Überlegungen zutrafen, warum hatte Loga es nicht einfach so eingerichtet, daß der Computer nicht melden würde, daß gewisse Personen, die beseitigt werden sollten, noch lebten? Loga war in der Lage gewesen, den Computer in viel wichtigeren Angelegenheiten zu einem illegalen Vorgehen zu bewegen.
Wahrscheinlich hatte er das Risiko nicht eingehen wollen, aufgrund einer so kleinen - wenn auch für seinen Standpunkt großen - Sache erwischt zu werden. Er mußte sichergehen, die absolute Kontrolle zu haben, selbst wenn der Versuch, sie zu erringen, viel größere Risiken in sich barg. Er hatte gewußt, daß ein oder zwei Jahre vor dem Ende des Projekts ein Raumschiff von der Gartenwelt eintreffen würde, das neben der aus Ethikern bestehenden Mannschaft die Körperaufzeichnungen der Menschen des zweiten Projekts mit sich führen würde. Loga hatte sichergehen müssen, daß ihm die Neuankömmlinge keinen Strich durch die Rechnung machten. Er hatte alles so einrichten müssen, daß die Neuankömmlinge gefangengenommen oder getötet wurden, wenn sie nichtsahnend das Schiff verließen und den Hangar betraten.
Leider war jemand zu Loga durchgekommen, hatte ihn getötet und seine Körperaufzeichnung gelöscht.
Alle Beweise deuteten auf die mongolische Agentin hin, die Nur getötet hatte. Aber Nur konnte nur sehr wenige Beweise vorlegen. Er hatte keine Ahnung, wie sie in den Turm gekommen war, welche Rolle sie gespielt hatte oder hätte spielen sollen. Er wußte nicht einmal, ob sie sich nicht noch immer irgendwo im Turm versteckte.
Nur und seine Gefährten hätten an dem Rätsel arbeiten sollen, bis es gelöst gewesen wäre. Aber jeder bis auf ihn schien es vernachlässigt zu haben. Man war zu beschäftigt mit der Macht und den Vergnügungen, die der Turm einem bot. Zweifellos hatte jeder beabsichtigt, das Rätsel zu lösen, aber man hatte keine Vorstellung, wie viel Zeit inzwischen vergangen war.
Nur fragte sich, ob es etwas nützen würde, den anderen diese Vernachlässigung in Erinnerung zu rufen.
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