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Die Götter von Freistatt

Die Götter von Freistatt

Titel: Die Götter von Freistatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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beide Hände vor sein blutendes Anlitz zu legen. »Verdammt!« fluchte Hanse, als er sah, wie das heiße Öl auf das Nachthemd und die nackten Füße des Mannes spritzte, sowie auf die Wand und die Tür, ehe der Rest brennend über den Boden floß. Gleichzeitig erklang ein drittes Ächzen unerträglicher Pein hinter der noch geschlossenen großen Tür.
    »Herr!« kreischte Hanse mit schriller Stimme. »Feurio!« Er schob den Gnom rückwärts durch die offene Tür, stieß die brennende Lampe mit einem Fußtritt hinterher und warf die Tür zu, dann riß er die größere auf - und kam in die Hölle.
    Teile eines kleinen hageren Mannes lagen auf einem Tisch, er war jetzt noch kleiner und dünner, denn ihm fehlten beide Arme und Beine, sein gesamtes Kopf- und Körperhaar und seine linke Brustwarze mitsamt einem Stück des Brustkorbs. Hanse schauderte, aber er wußte, daß es für den armen Teufel nur noch eine Hilfe gab. Ohne auf die glänzenden, scharfen Instrumente zu achten, die Kurd für seine Arbeit benutzte, zog Hanse die armlange Klinge, die jene Verrückten im Ilbargebirge Messer und Dolch nannten, faßte den Griff mit beiden Händen und stieß mit dem Ilbarsimesser mit aller Kraft zu. Blut spritzte, und Hanse mußte dagegen ankämpfen, sich nicht zu übergeben. Nun lag nur noch ein lebloser Rumpf auf dem Tisch. Schaudernd umklammerte Nachtschatten den Dolchgriff und spähte durch den Raum, der voller Tische war, mit einem Abfluß am Boden neben jedem.
    »Thales?«
    Zwei Ächzlaute antworteten ihm. Einer endete mit »Hilfe«. Es war nicht Tempus’ Stimme, aber Hanse ging zu dem Tisch, von dem sie kam.
    »Er - er - er hat meinen rechten Arm abgeschnitten und - und drei Finger meiner li-linken Hand, nur - nur um ...« Der Mann konnte nicht weitersprechen, so sehr schüttelte ihn ein Schauder.
    »Ihr blutet nicht. Eure Beine? Füße?« Hanse blinzelte, ohne wirklich sehen zu wollen.
    »Ich - ich - sie - sind da ...«
    »Überlegt es Euch«, sagte Nachtschatten und schluckte. »Ich kann Eure Riemen durchschneiden oder Eure Kehle, wenn Ihr es vorzieht. Überlegt und wählt.« Er machte sich daran, sich umzudrehen.
    »Ich - ich le-e-be ... Ich kann ge-e-hen ...«
    Hanse befreite den Mann von den Riemen, mit denen er auf den Tisch gebunden war. »Ich suche Tempus.«
    »Du suchst den Tod hier, Dieb!« sagte eine höhnische Stimme, und Licht erhellte den Raum.
    Hanse nahm sich keine Zeit zu antworten oder nachzusehen, wer das Licht brachte. Er drehte sich um, zog ein Wurfmesser, das wie ein stählernes Blatt aussah, und schleuderte es. Erst dann blickte er auf den Mann an der Tür. Der erste Wurf war zur Ablenkung, der zweite gezielt. Mager, mehr als mager, war der Mann, mit bleicher straffer Haut. Er trug ein wallendes Nachtgewand - ein Mann, der fürchtete, sich im Südwind des Junis zu erkälten -, und hielt unbeholfen in der einen Hand eine gespannte Armbrust, und in der anderen eine Gehäuselampe, eine Laterne. Wo der Ärmel zurückgerutscht war, war der, wie es schien, nur mit Pergamenthaut überzogene Knochenarm zu sehen. Das war Kurd!
    Er duckte sich vor dem pfeifenden Messer, das ihn nur um wenige Zoll verfehlte. Die Laterne schaukelte wild und warf gelbes schwankendes Licht auf die Wände, den Boden und die Tische mit den grauenvollen Flecken. Der Dummkopf hätte als erstes die Lampe abstellen müssen, dachte Hanse, während er ein weiteres Wurfmesser zog. Mit beiden Händen an der Armbrust hätte dieser kleine Kurd sogar gefährlich werden können. Statt dessen war sein Arm jetzt an die Tür genagelt, mit einem Messer, das durch den Ärmel gedrungen war, seine Haut jedoch nur gestreift hatte - Fleisch war da keines -, so daß dieses menschliche Ungeheuer nun mehr aus Angst, als vor Schmerz schrie. Die Armbrust entglitt ihm. Sie schlug schwer auf dem Boden auf, und ihr Bolzen schnellte in eine Wand oder ein Tischbein oder ... Hanse war es egal.
    »Ich bin wegen Tempus hier, Schlächter. Bleib stehen, wo du bist und leuchte. Eine falsche Bewegung und ich werfe erneut.« Er zeigte Kurd eine dritte glänzende Klinge, ehe er sie wieder einsteckte. »Ein zweiter Nabel wäre genau das richtige für dich.« Dann ging er zu dem Ursprung des dritten Ächzens. »O ihr Götter, ihr Götter, warum habt ihr das zugelassen?«
    Keine Götter antworteten dem entsetzten Ausruf Nachtschattens bei Tempus’ Anblick.
    Der große blonde Tempus, narbenlos und armlos, antwortete, doch seine Antwort kam aus einem Mund ohne Zunge. Es

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