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Die Götter von Freistatt

Die Götter von Freistatt

Titel: Die Götter von Freistatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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bewegten sich die herabhängenden Ranken. Sie raschelten, drehten sich, griffen nach ihm, klammerten sich um ihn. Da erkannte Nachtschatten, daß Kurd doch nicht auf Schutzmaßnahmen verzichtete.
    Während er gegen die Ranken ankämpfte, wurde ihm klar, daß er seine Erkenntnis zu spät gewonnen hatte. Ob dieses Pflanzenungeheuer nun darauf aus war, ihn zu erwürgen, oder ihm Arme und Beine zu verdrehen, bis sie brachen, oder ob es ihn nur festhalten wollte, bis jemand kam. Es war jedenfalls weit wirkungsvoller als jeder menschliche Wächter oder sogar drei Wachhunde hätten sein können. Unter dem beängstigenden Rascheln der Pflanze zerrte Hanse an einer Ranke, die dünner als die Nadel einer Brosche war, doch er schnitt sich an ihr nur den Finger auf. Auch sein Messer erreichte nichts, die Klinge wurde höchstens stumpf. Und die Ranken waren eifrig, sie drehten sich, schlangen sich zwischen den Armen um seinen Körper und um die Beine und -seinen Hals!
    Gegen diese eine Ranke kämpfte er an, bis seine Finger bluteten. Sie war unnachgiebig. O ihr Götter, nein, nein, nicht so ... Er würde sterben, stumm, erwürgt von einer verdammten Ranke!
    Von dem Nein, das er hinausschreien wollte, raubte schon das N ihm den letzten Atem. Er bekam keine Luft mehr. Als seine Augen aus den Höhlen zu quellen drohten und ein dumpfes Summen in seinen Ohren begann, das zum Donner und schließlich zur ewigen Stille werden würde, erkannte Hanse, daß Kurds Garten mehr konnte, als ihn nur erwürgen.
    Wenn die Ranke um seinen Hals sich weiterhin enger zog, würde sie ihn köpfen.
    Hanse kämpfte mit der Kraft der Verzweiflung, aber genausogut hätte er versuchen können, die Flut aufzuhalten oder einen Sandsturm in der Wüste. Er konnte sich kaum noch bewegen, denn die Ranken wickelten sich um seinen ganzen Körper. Er spürte, wie ein Schwindelgefühl sich wie Gewitterwolken näherte, und das Summen in seinen Ohren wurde zum Toben eines Sturms.
    Aber auch über Freistatt schien sich ein Gewitter zusammenzubrauen, große, schwere Tropfen fielen vom Himmel. Das war genauso gespenstisch und unmöglich, denn Regen in Freistatt war jahreszeitlich bedingt, und jetzt war bestimmt nicht die richtige Jahreszeit dafür. In wenigen Wochen begann der Echsensommer, so genannt, weil dann die Echsen draußen in der Wüste in ihrem eigenen Saft schmorten, wie man so schön sagte.
    Aber was spielte das jetzt für eine Rolle? Pflanzen liebten den Regen. Und diese liebte das Töten. Sie tötete Hanse, der allmählich das Bewußtsein verlor und spürte, daß das Dröhnen in seinen Ohren alles andere übertönte. Es goß in Strömen. Hanse versuchte zu schlucken, brachte es jedoch nicht fertig. So tat er, was er nie für möglich gehalten hätte: Er begann sich aufzugeben.
    Da durchzuckte ihn die Erinnerung wie ein Blitz. So deutlich wie vor Stunden hörte er Mignureals Worte: »Hanse - nimm das braune Gefäß mit den Kreuzen mit.«
    Doch selbst dieser Hoffnungsschimmer schien zu spät zu kommen, denn wie sollte er mit den verschnürten Armen den Beutel vom Gürtel lösen, ihn aufmachen, den Krug öffnen, und dieser Mörderpflanze eine Lehre erteilen, die sie nie vergessen würde? Antwort: Er konnte es nicht.
    Doch selbst im Sterben konnte er zumindest seinen Unterarm vier oder fünf Zoll hochzerren, ruckhaft, wieder und wieder, atemlos, die Besinnung verlierend, aber ohne aufzuhören durchlöcherte er den Öltuchbeutel und schlug das Messer gegen den Krug, der glatt und fest war und so verdammt hart!
    Doch dann zerbrach er! Scherben fielen herab, und der weiße Kalk rieselte auf den Boden. Hanse war sicher, daß er in dem feuchten Gras um den feuchten Fuß der Würgerpflanze zischte - aber er konnte dieses Zischen nicht hören, genausowenig wie irgend etwas sonst, denn das Donnern in seinen Ohren war zu gewaltig.
    Er sank zusammen, schon so gut wie tot, als die Schwaden ätzender Dämpfe an seinen Beinen vorbei hochstiegen und die Pflanze plötzlich zu peitschen anfing und ihre Ranken knickten, als rüttle der Sturm aus allen Richtungen an ihr. Bei diesem Zucken gab sie ihr Opfer nicht nur frei, sondern schmetterte es auch mehrere Fuß von sich. Hanse landete auf dem Rücken, in sicherer Entfernung von dem dampfenden ätzenden Tod am Fuß der Pflanze. Die Sohlen seiner Halbstiefel rauchten, Regen hämmerte auf sein Gesicht, und er lag still, ganz still, während die Mörderpflanze starb.
    In Freistatt regnete es nicht, aber aus dem klaren Nachthimmel

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