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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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Mutter lockerte sich. »Ja, ich lass' dich !« Die Mutter zog sich ein kleines Lederbeutelche
n
über den Kopf, das sie an einer Schnur unter ihrer Kleidung verborgen um den Hals trug, und legte es ihr, der kleinen Tochter, um.
»Das
schenke ich dir. Es ist ein Stein darinnen. Heb ihn gut auf. Es ist kein gewöhnlicher Stein. Ein ganz besonderen Die Göttin ist in ihm. Nun wird Sie immer bei dir sein.«
    Die Mutter stand auf und ging.
    Naki fühlte nach dem Stein in seinem Beutel, spürte ihn zwischen ihren Brüsten.
    Das Ei, der Vogel und die Schlange – Zeichen der Göttin. Hatte die Göttin sich ihr damals offenbart – und ihr an-
    gekündigt, daß Sie sie in Ihre besonderen Dienste nehmen wollte?
    Und hatte die Mutter verstanden, was sie, das Kind, noch nicht einmal geahnt hatte?
    Ja, ich lass' dich ...
    Plötzlich wußte sie: Ihr Wunsch würde die Mutter nicht unvorbereitet treffen. Schon damals hatte die Mutter begriffen, daß sie ihre einzige Tochter für den Dienst der Göttin
    freigeben mußte. Und sie mit dem geweihten Stein dafür gesegnet.
    Könnte sie nur gleich mit der Mutter darüber reden, über alles!
    Naki ging zum Haus zurück. Sie öffnete die Tür. Beißend schlug ihr der Geruch von angebranntem Essen entgegen. Der Brei!
    Die Brüder, die Oheime, die Vettern und Kusinen. Tante Mulai und Tante Gwinne, alle waren im Raum. Und alle sahen sie an.
    »Ist ja ganz großartig, daß du auch schon da bist!« sagte ihr Bruder Karu. »Kannst du uns verraten, wie man das Zeug runterbekommen soll?«
    »Tut mir leid!« Erschrocken sah sie auf den Brei. Sie hatte ihn uns Feuer gestellt und vergessen! Sie kostete davon, versuchten Widerwillen zu unterdrücken. Es schmeckte wirklich sehr angebrannt.
    Nein, das konnte man niemandem mehr anbieten.
    Aber wegschütten durfte man es auch nicht – undenkbar.
    Naki sog an ihrer Lippe. Sie spürte, daß ihr Großer Oheim sie wartend ansah, und wußte, daß er ebensowenig nachgehen würde wie Tante Mulai. Sie zögerte, holte tief Luft. »Ich esse es allein! In ein paar Tagen habe ich es geschafft. Ihr kennt ja heute mal Brot essen!«
    Das können wir!« Tante Gwinne lächelte Naki an.
    Tante Mulai erklärte bestimmt: »Dann mußt du heute abend aber noch Mehl mahlen und Sauerteig ansetzen, Naki, damit wir neues Brot backen können!«
    Naki unterdrückte ein Stöhnen. Kurz sah sie zu ihrem Großoheim hin. Er nickte kaum merklich, stimmte mit den Augen zu.
    »Arme Schwester! Kein Glückstag für dich!« sagte Wirrkon leise. Jeder wußte, daß sie das Mahlen haßte.
    Naki setzte sich neben ihn und zuckte die Schultern.
    Tante Mulai holte einen Laib aus dem Holzkasten, schnitt ihn in Scheiben, sprach den Segen darüber und stellte eine Schüssel mit Frischkäse dazu. Alle langten nach dem Brot und fuhren damit in den Käse. Nur Naki nicht. Und auch nicht Wirrkon. Er lud sich eine Schale voll Brei und löffelte ihn, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Zur Abwechslung mal ein anderer Geschmack«, meinte er und grinste Naki an.
    Sie grinste zurück. Auf einmal machte es ihr nichts mehr aus, den Brei zu essen.
    »Ich werde mich sofort nach dem Essen auf den Weg machen«, ergriff der Große Oheim das Wort, »und das Schwein zu den Heiligen Steinen treiben. Dann bin ich zu Einbruch der Dunkelheit dort und kann es mit Lüre gleich morgen früh opfern. Auf dem Rückweg von den Heiligen Steinen will ich noch in einigen Dörfern Besuche machen. Vielleicht gelingt es mir, jemanden zu finden, bei dem wir gegen Gwinnes Töpferwaren Gerste oder Weizen eintauschen können, sonst wird es eng für uns im Winter. Ich bleibe wahrscheinlich ein paar Tage weg. Ihr kommt doch ohne mich mit dem Brunnen zurecht?«
    Oheim Aktoll nickte bedächtig. »Werden wir wohl, Ritgo! Was ist, Jungs, wollen wir uns nicht wieder an die Arbeit machen?«
    Die Jungen standen auf. Unmöglich, einen Oheim warten zu lassen.
    Die Grenzen zwischen Wachen und Schlafen verwischten sich. Hatte sie eben etwas gehört, oder war es ein Traum?
    Unruhig wälzte Haibe sich herum, stieß an Knochen und Scherben, hatte nicht mehr die Kraft, sie beiseite zu schieben.
    Mit brennenden Augen durchforschte sie die Finsternis. Noch immer zeigte sich nicht die geringste Andeutung einer Lichtspur über dem Eingang. Ihre hetzte Nacht im Grab nahm und nahm kein Ende.
    O Göttin, steh mir bei!
    Der Durst glühte in Augen, Nase, Mund und Rachen. Ihr ganzer Körper ein Schrei nach Wasser. Mit der ausgedörrten Zunge fuhr sie sich über die

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