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Die goldene Meile

Die goldene Meile

Titel: Die goldene Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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in Brusthöhe an. Beide landeten im Graben, der Hund zuoberst. »Schaff ihn von mir weg.«
    »Halt still.« Die zweite Gestalt schaute über den Rand des Grabens hinunter. »Schaff ihn weg.« »Nicht bewegen!« »Mein Gott!«
    »Ich kann so nicht schießen.« »Scheiße!«
    »Du musst aufhören zu zappeln.« »Schieß doch!«
    Der Mann am Rand zielte, so gut er konnte, und drückte ab. Der Ringkampf im Graben ging einseitig weiter. »Ilja? Alles okay? Ilja?«
    Der Schütze hob Itsys Taschenlampe auf und leuchtete damit nach unten.
    Sein Partner antwortete nicht, weil seine Halsschlagader zerrissen war. Der Hund zerrte ihn widerstandslos hin und her. Überall war Blut.
    »Ilja!«
    Tito hob den Kopf, und seine Augen leuchteten auf. Er ließ den Mann, den er hatte, fallen und lief auf die Treppe zu, und er wurde immer schneller, je näher er kam. Der Mann am Graben verfeuerte den Rest der Patronen in seinem Magazin auf den Hund, und er drückte immer noch ab, als das Tier die Treppe hinunterrollte, zehnfach tot.
    Jetzt waren Entscheidungen zu treffen. Der Mann konnte seinen toten Kollegen nicht zurücklassen. Der, den er Ilja genannt hatte, war ein Meister in der Kunst, offene Probleme zu lösen. Als Leiche war Ilja selbst das größte offene Problem. Allein die Frage der Logistik - brachte er Ilja zum Volvo oder den Volvo zu Ilja? Dann musste jede leere Patronenhülse gefunden und aufgelesen werden. Und er musste noch zwei Gräber ausheben. Allein für den Schweiß verdiente er einen Bonus.
    Etwas flirrte über sein Gesicht. Ein orangeroter Laserpunkt, planlos flatternd wie ein Schmetterling auf einer Blumenwiese, setzte sich auf das Namensschild an seinem Overall. Er lachte und spürte dabei die kühle Luft.
    » Scheißtadschiken.«
    Zumindest das hatte er kapiert, als die Kugel ihn erwischte.
     

SIEBENUNDZWANZIG
    Arkadis Galgenfrist als Ermittler lief allmählich ab. Das machte aber nichts, denn er arbeitete nicht mehr innerhalb der Gesetze. Er hatte die Morde am Lubjanka-Platz nicht gemeldet, weil es keine Leichen gab, und von dem Überfall auf Anja hatte er nichts durchgegeben, weil sie sich zumindest bisher an nichts erinnern konnte; die letzte Stunde davor war in einem schwarzen Loch verschwunden. Auf Viktors Vorschlag war Anja zu Madame Furzewa gezogen, die über eine neue Zuhörerin entzückt war. Viktor blieb zu ihrem Schutz ebenfalls dort. Ein Mann mit einer Waffe in ihrer Wohnung? Wer könnte da Nein sagen?
     
    GOTT IST EIN HUND, EIN HUND IST GOTT, GOTT IST SCHEISSE, ICH BIN SCHEISSE, ICH BIN GOTT.«
    Was das bedeutete, wusste Arkadi nicht. Er wusste, wo und wann er diese Worte schon einmal gehört hatte, aber nicht, wozu sie gehörten. Zu einem modernistischen Gedicht? Einem Zen-Rätsel? Einer Beschwörungsformel in einem Peyote-Kult?
    Arkadi blätterte in dem Register für »Aufnahmen und Entlassungen« des Ausnüchterungstrakts. In den Duschkabinen spritzten Hilfskräfte in Schutzanzügen beschämte Mitmenschen mit Wasserschläuchen ab. Er hörte den üblichen Chor der Ausnüchterungszellen, schluchzende und würgende Laute, wie er sie auch gehört hatte, als er Viktor drei Nächte zuvor hier herausgeholt hatte. Da waren die Worte unvollständig gewesen, gemurmelt, und jetzt konnte er die Lücken ausfüllen, aber was sie bedeuteten, wusste der Himmel.
    Der Sanitäter war nicht ganz ein Erpresser, nicht ganz ein Arzt, und das Register war schwierig zu entziffern, weil er seine Gäste mit Bleistift eintrug, bis sich erwiesen hatte, dass sie völlig mittellos waren: Erst dann wurden sie mit unveränderlicher Tinte registriert.
    Sergej Borodins Name war vor drei Nächten mit Tinte eingetragen worden.
    »Es hat ihm hier gefallen, obwohl er alle andern verrückt gemacht hat mit seinem stundenlangen >Gott dies< und >Hund das<. Weiß der Teufel, was das heißen sollte.«
    »Hat jemand versucht, ihn zum Schweigen zu bringen?«
    »Davon würde ich abraten. Er ist fit und aufbrausend.«
    »Haben Sie Beispiele dafür erlebt?«
    »Andeutungen. Aber wenn man ihn in Ruhe lässt, ist alles in Ordnung. Na ja. Wir tun, was wir können.« Mit anderen Worten, er war für besondere Rücksichtnahme bezahlt worden.
    Arkadi hielt die Seiten ans Licht und fand noch zwei Stellen, an denen Borodins und der Name eines gewissen Spiridon getilgt worden waren. Und einmal war Spiridon in die Obhut einer I. A. Wolkowa entlassen worden.
    »Ein Zwillingspaar. Kein echtes, aber Sie wissen, was ich meine. Beide aus Petersburg. Gleiche

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