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Die goldene Meile

Die goldene Meile

Titel: Die goldene Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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haben ihre Tür klicken hören. Ich weiß, dass sie zu Hause ist. Vielleicht würde sie sich gerne zu uns gesellen?«
    »Vielleicht sollte ich mich um das Klicken kümmern.«
    Maja war zu vergnügt, lachte zu schnell über Viktors Witze. Die Preisgabe ihres Namens schien sie erleichtert zu haben, als habe sie bei sich eine Entscheidung getroffen.
    Ihre Ruhe beunruhigte Arkadi - das und der Umstand, dass sie das Wort »später« benutzt hatte. Arkadi sah ihr Handgelenk. Er hatte den Verdacht, dass Maja zwar kaum über einen Plan A verfügte, aber jederzeit einen Plan В in Form einer Rasierklinge hatte. Und als das Gespräch auf Selbstmord kam, sagte Arkadi: »Dostojewski war ein großer Schriftsteller, aber ein miserabler Ehemann und ein noch schlechterer Spieler. Und ein Snob von epischen Dimensionen. Eine junge Frau in Sankt Petersburg brachte sich um, und er kritisierte ihren Abschiedsbrief öffentlich als talentlos. Talentlos? Da kam zum Schaden noch der Spott hinzu.«
    »Natürlich schreibt kein Mensch mehr vernünftige Briefe«, sagte Viktor. »Aber ein Selbstmord-Tweet? Das ist nicht das Gleiche.«
    »Glauben Sie an Erlösung?«, fragte Maja. »Hat Dostojewski nicht darüber geschrieben? Über Erlösung und Liebe?« »Du hast Dostojewski gelesen?«
    »Matti, der Manager, hat mir Bücher gegeben. Was immer er finden konnte. Hauptsächlich Liebesromane, wissen Sie, in denen die Menschen Erlösung finden.«
    Arkadi fühlte sich plötzlich uralt, obwohl Maja ihn erwartungsvoll ansah, während Schenja sie ansah.
    Viktor räusperte sich. »Ich erzähle euch etwas über die Macht der Liebe. Es stand in der Zeitung; ihr könnt es also nachprüfen. Ihr erinnert euch, dass der Kreml Anfang des Jahres einen Nationalen Tag der ehelichen Liebe einsetzte, mit Blumensträußen für die Damen und Medaillen für jede Mutter mit fünf oder mehr Kindern. Ein solcher Tag war natürlich für einen durchschnittlichen Iwan Iwanow nichts weiter als ein Extratag zum Trinken und für eine Marathonsitzung mit pornographischen DVDs. Iwanowa, seine Frau, würde unterdessen nach Paris fliegen. Sie war Stewardess und hatte einen speziellen Freund in Frankreich, und sie hoffte auf zwei selige Nächte mit ihm.
    Aber, Kinder, die weisen Männer im Kreml haben mit einem derart rückschrittlichen Denken natürlich gerechnet, und es gibt Druck. Iwanows Boss ruft ihn morgens früh an und sagt, er soll tunlichst erscheinen. Iwanowas Boss ruft sie in Paris an und befiehlt ihr, die nächste Maschine nach Moskau zu nehmen. Iwanow wird wütend. Iwanowa ihrerseits nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie erzählt allen an Bord, dass sie Iwanow hasst und sich wünscht, er wäre tot. Er schließt sich in seinem innersten Heiligtum ein, auf der Toilette, und sie kommt mit sechshundert Stundenkilometern auf Moskau zu.
    Ein anderes Flugzeug fliegt draußen vorbei, dann noch eins, und dann sieht Iwanowa ein Dutzend Flugzeuge, die die Wolken impfen, damit sie sich ausregnen. Sie putzen sozusagen den Himmel sauber für den großen Tag. Der Impfstoff besteht aus Silberjodid und flüssigem Stickstoff, zu einem pulvrigen Zementblock zusammengepresst. Wenn die Flieger diese Blöcke aus dem Flugzeug werfen, explodieren sie zu einer Wolke von Staub. Alle bis auf einen. Einer bleibt, wie er ist, und stürzt aus zehntausend Metern Höhe auf die Stadt wie ein - na ja, wie ein Zementblock eben. Unterdessen kann Iwanow die Wodkaflasche nicht finden, die er im Spülkasten auf der Toilette versteckt hat. In seiner Verzweiflung denkt er an seine Frau Iwanowa. Die Frau ist so gerissen. Aber dann erinnert er sich an die Minifläschchen mit Airline-Wodka, die im Nebenzimmer hinter ihrem Foto stehen. Da sind sie. Seht ihr ihn? Er küsst gerade dankbar ihr Foto, als der Block durch seine Decke rauscht, als wäre sie aus Papier, Iwanows Kloschüssel zerschmettert und im Bad des Nachbarn darunter landet. Wolken von Putzstaub, Splittern und Glasscherben erfüllen die Wohnung der Iwanows, und er steht da und hat immer noch Iwanowas Foto in der Hand.«
    »Und sie leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage?«, fragte Maja.
    »Wenn sie den Prozess um Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen seelischen Leidens gewonnen haben. Sie verlangen eine Million.«
    Arkadi fing an, nach Zigaretten zu suchen. »Wie viel von dieser phantastischen Geschichte würden wir denn wirklich in der Zeitung finden?«
    »Du kennst ja die Journalisten. Die richtig interessanten Sachen behalten sie für sich.«
    »Das

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