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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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und schwatzten und bewunderten die Pferde und Kleider ihrer Standesgenossen (oder taten zumindest so). Soldaten und Dienstleute stapften hinterher oder lenkten Ochsenkarren, bepackt mit Speisen und Getränken, Geschirr und selbst den zusammengefalteten Zeltpavillons, in denen die Jagdgesellschaft das Morgenmahl zu sich genommen hatte. Viele Edelleute führten Ersatzpferde mit, denn es passierte nicht selten, daß bei einer besonders aufregenden Jagd ein Reitpferd mit einem Beinbruch liegenblieb oder mit geborstenem Herzen zusammenbrach. Kein Jäger wollte nur wegen eines toten Pferdes den krönenden Abschluß der Jagd verpassen und auf einem Karren nach Hause rumpeln müssen. Zwischen Freileuten und höheren Bediensteten liefen Fußsoldaten mit Piken oder Hellebarden, Pferdeknechte, Hundeführer in verdreckten, zerrissenen Kleidern, etliche Priester — da die geringeren wie die Soldaten zu Fuß gehen mußten — und selbst Puzzle, der hagere Hofharr des Königs, der auf seiner Laute eine wenig überzeugende Jagdweise spielte, während er sich verzweifelt auf seinem gesattelten Esel zu halten versuchte. Tatsächlich schien es, als wäre in den stillen Hügeln unterhalb der Schattengrenze ein ganzes Dorf auf Wanderschaft.
    Briony war immer froh, dem Burggemäuer — diesem Steinlabyrinth, aus dem die Türme an manchen Tagen die Sonne ganz auszusperren schienen — zu entkommen, aber am allermeisten hatte sie die kurze Absonderung von diesen Menschenscharen und die damit einhergehende Stille genossen. Sie fragte sich, wie es wohl bei einer Jagd am riesigen Hof von Syan oder Jellon zugehen mochte — dort zogen sich, wie sie gehört hatte, solche Vergnügungen manchmal über Wochen hin! Sie kam allerdings nicht lange zum Nachdenken.
    Shaso dan-Heza löste sich aus der Menge und ritt den Zwillingen entgegen, kaum daß sie über die Hügelkuppe waren. Der Waffenmeister schien als einziger Höfling wirklich für das tödliche Handwerk des Jagens gerüstet: Er trug keine Prunkkleidung, wie sie die meisten Edelleute für die Jagd anlegten, sondern seinen alten schwarzen Lederharnisch, der kaum dunkler war als seine Haut. Sein mächtiger Kriegsbogen hing an seinem Sattel, gespannt und schußbereit, als rechnete Shaso jeden Moment mit einem Angriff. Briony erschienen der Waffenmeister und ihr verdrossener Bruder Barrick wie zwei Gewitterwolken, die aufeinander zutrieben, und sie machte sich auf den Donner gefaßt. Der ließ auch nicht lange auf sich warten.
    »Wo wart ihr, ihr zwei?« herrschte Shaso sie an. »Warum habt ihr eure Wachen weiterreiten lassen?«
    Briony beeilte sich, die Schuld auf sich zu nehmen. »Wir wollten nicht so lange wegbleiben. Wir haben einfach nur geredet, und Schneeflocke hat ein bißchen gelahmt ...«
    Der alte Tuani-Krieger ignorierte sie, durchbohrte nur Barrick mit seinem harten Blick. Shaso wirkte unverhältnismäßig zornig, als hätten die Zwillinge mehr verbrochen, als sich nur ein Weilchen dem Menschengewimmel zu entziehen. Er glaubte doch wohl nicht, daß sie hier in Gefahr waren, nur ein paar Meilen von der Burg, in dem Land, das die Eddons seit Generationen regierten? »Ich habe gesehen, wie du einfach der Jagd den Rücken gekehrt hast und ohne ein Wort davongeritten bist«, sagte er. »Was hast du dir dabei gedacht, Junge?«
    Barrick zuckte die Achseln, aber auf seinen Wangen waren jetzt hochrote Flecken. »Nennt mich nicht ›Junge‹. Und was geht Euch das überhaupt an?«
    Der alte Mann fuhr zusammen, und seine Hand zuckte hoch. Briony fürchtete schon, er würde Barrick schlagen. Er hatte dem Jungen im Lauf der Jahre manchen Hieb verpaßt, aber immer im Zuge der Unterweisung, legitime Zweikampftreffer. Ein Mitglied der königlichen Familie in der Öffentlichkeit zu schlagen, wäre etwas ganz anderes. Shaso war nicht sonderlich beliebt — viele Edelleute behaupteten ganz offen, es schicke sich nicht, daß ein dunkelhäutiger Südländer, ein ehemaliger Kriegsgefangener, ein so hohes Amt in Südmark bekleide. Daß die Sicherheit des Königreichs in den Händen eines Fremden liege. An Shasos kämpferischem Können und an seiner Tapferkeit zweifelte niemand — damals in der Schlacht von Hierosol, wo er und der junge König Olin aufeinandergetroffen waren, hatte der Tuani-Krieger, obschon bereits entwaffnet, so erbitterten Widerstand geleistet, daß es ein halbes Dutzend Männer brauchte, um ihn gefangenzunehmen. Und auch dann noch hatte er es geschafft, sich lange genug loszureißen,

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