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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Deshalb haben die Qar sie ja hinterlassen, als sie vor den Heeren der Großwüchsigen zurückgewichen sind. Nicht nur als Grenze zwischen ihrem Land und unserem, sondern als ... Warnung, ja, so kann man's wohl nennen.
Bleibt draußen.
Aber du hast gesagt, heute willst du mit, also bist du jetzt hier.« Er sah hinauf zu der Nebelfront, die sich über die grasbewachsenen Hügel zog, am dichtesten in den Senken, aber auch auf den Kuppen noch wie Eiderdaunen. »Wir sind gleich da.«
    »Das sagst du schon die ganze Zeit«, brummte sie erschöpft.
    Chert schämte sich plötzlich, daß er sein braves Weib so spöttisch behandelte. Sie konnte ganz schön herb sein, ja, aber auch ein Apfel war nicht immer süß und trotzdem gesund. »Und übrigens, auf deine Frage, ja. Das Mädchen heißt Briony.«
    »Und dieser Junge, der ganz in Schwarz. Das ist der andere Bruder?«
    »Ich glaube ja, aber ich habe ihn noch nie von nahem gesehen. Sie halten nicht viel von öffentlichen Auftritten, die jetzigen Eddons. Der alte König, Ustin, der liebte Feste und Umzüge, weißt du noch? Kaum ein Feiertag ohne ...«
    Historische Betrachtungen schienen Opalia nicht zu interessieren. »Er sah so traurig aus, dieser Junge.«
    »Na ja, sein Vater ist in Gefangenschaft, und das Königreich kann das Lösegeld nicht aufbringen. Und er selbst hat einen kaputten Arm. Das ist doch vielleicht Grund genug.«
    »Was ist ihm widerfahren?«
    Chert winkte ab, als wäre er niemand, der Gerüchte weitertratschte, aber das war natürlich nur Theater. »Es heißt, ein Pferd sei auf ihn draufgefallen. Aber der alte Pyrit behauptet, sein Vater habe ihn die Treppe runtergestoßen.«
    »König Olin? Der würde so was doch nie tun!«
    Ihr entrüsteter Ton hätte Chert beinah wieder ein Grinsen entlockt: Dafür, daß sie behauptete, das Tun und Lassen der Großwüchsigen kümmere sie nicht, hatte seine Frau ganz schön feste Meinungen über sie. »Scheint ziemlich weit hergeholt«, gab er zu. »Und jeder weiß, daß der alte Pyrit viel daherredet, wenn er genug Moosbräu getrunken hat ...« Er verstummte und runzelte die Stirn. Es war immer schwer zu sagen, hier am Rand, wo das Auge so leicht trog, was Entfernungen anging, aber irgend etwas stimmte ganz und gar nicht.
    »Was ist?«
    »Sie ... sie hat sich verschoben.« Sie waren jetzt nur noch ein paar Dutzend Schritt von der Grenze — so nah dran, wie er sich irgend traute. Er starrte erst auf den Boden, dann auf das vertraute Grüppchen Wintereichen. Die Bäume waren gerade noch zu erahnen, so blaß und verschwommen wie Geister. Zum ersten Mal, solange er denken konnte, war die unnatürliche Nebelsuppe zwischen die Stämme vorgedrungen. Chert sträubten sich die Nackenhaare. »Sie hat sich wirklich verschoben!«
    »Aber sie verschiebt sich doch dauernd. Das hast du doch selbst gesagt.«
    »Ja, indem sie sich ein Stückchen zurückzieht und dann wieder bis an die alte Stelle vorrückt, so wie Ebbe und Flut«, flüsterte er. »Wie ein atmendes Wesen. Deshalb finden wir hier ja Sachen, wenn sich die Grenze zum Schattenland hin verschoben hat.« Die Luft hatte etwas Schweres, das selbst für diese gespenstische Gegend ungewöhnlich war, und irgendwie fühlte sich Chert beobachtet: Er traute sich kaum zu reden. »Aber seit sie die Zwielichtler vor zweihundert Jahren hergezaubert haben, hat sie sich nie in die andere Richtung bewegt, Opalia. Bis heute.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Sie hat sich zu
uns
hin verschoben.« Er wollte es selbst nicht glauben, aber er kannte diese Hügel in- und auswendig. »Wie Hochwasser, das über die Ufer tritt. Sie ist mindestens ein Dutzend Schritt näher, als ich sie je gesehen habe.«
    »Weiter nichts?«
    »Weiter nichts? Weib, die Zwielichtler haben diese Nebelgrenze erschaffen, um die Leute aus dem Schattenland fernzuhalten. Wer sie überschreitet, kehrt nie mehr zurück, jedenfalls nicht daß ich wüßte. Und in den ganzen zweihundert Jahren hat sie sich nie auch nur einen Zoll auf die Burg zu bewegt!« Er war ganz atemlos vor Aufregung. »Ich muß es ihnen sagen.«
    »Du? Wieso willst gerade du dich da einmischen, Alter? Haben die Großwüchsigen denn keine Wachen an der Schattengrenze?«
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Doch, du hast sie ja gesehen, als wir an ihrem Posten vorbeigekommen sind. Aber sie haben uns nicht gesehen oder nicht weiter beachtet. Die könnten ebensogut den Mond bewachen! Sie achten auf gar nichts, und für diese Posten nehmen sie immer die

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