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Die große Verschwendung

Die große Verschwendung

Titel: Die große Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schoemel
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Geringsten. Er musste sich wohl auf seine eigene Rede konzentrieren, die er schließlich mit sehr beeindruckender, amerikanisch-basslastiger Stimme hielt. Bürgermeister Alte, Bundespräsident Köhler und John Crawfield hoben danach im Blitzlichtgewitter jeweils einen Spaten voll Sand aus. Den Grundstein, der später im Boden der zwanzig Meter tiefen Betonwanne für das Aquarium und das Casino versenkt werden sollte, bedachte jeder von ihnen mit einem Hammerschlag. Die Bremer Big Band spielte, und Sektgläser wurden gehoben.
    Danach sah Glabrecht Adriana nicht mehr. Während des Senatsessens im Ratsweinkeller fragte er Mavenkurt, der neben ihm saß, wo sie denn sei. Mavenkurt kaute lange auf seinem Salzwiesenlamm herum, ehe er antwortete.
    »Sie erledigt einiges für uns. Wir haben einen kleinen Konferenzraum gemietet im Park Hotel , ein provisorisches Büro. Ich nehme an, dort ist sie.«
    Fünf Minuten etwa wartete Glabrecht, dann entschuldigte er sich bei Mavenkurt, erhob sich und verließ den Raum. Crawfield, der um einige Plätze versetzt schräg gegenüber saß, beachtete ihn nicht. Rasch stieg er die Ratskellertreppe hoch ins Freie, ging einige Schritte in Richtung der touristenumlagerten Stadtmusikanten-Skulptur, drehte sich zur Rathauswand hin und rief Adriana an. »Was machst du?«, sagte er, und, ohne die Antwort abzuwarten: »Weiß Crawfield eigentlich wirklich über uns Bescheid? Weiß er, dass du bei mir übernachtest? Dieser Mensch tut die ganze Zeit so, als stehe er völlig über der Sache. Er schaut mich überhaupt nicht an.«
    »Er – hat mich neulich gefragt, ob ich mit dir schlafe«, sagte Adriana. Die Pause nach dem ersten Wort ihres Satzes war besonders lang.
    »Und?«
    »Natürlich nicht , habe ich gesagt.«
    »Wie er auf diese absurde Idee kommen könne – was?«, sagte Glabrecht erheblich zu laut.
    Es kümmerte ihn nicht, dass jetzt einige Passanten offenbar auf ihn aufmerksam geworden waren. Es war, als hätte ein Fausthieb seinen Solarplexus getroffen. Schlagartig hatten das Vernichtungsgefühl ihn überschwemmt und eine Gewissheit, dass er das alles nicht überstehen würde. Dieses Mal nicht.
    »Georg«, sagte Adriana, »ich bin überfordert von all dem. Weißt du, die letzten Wochen über hat John sich sehr viel um mich gekümmert. Ich wollte das nicht, aber es war eben so. Aber ich bin trotzdem sehr sehr gern bei dir, wirklich. Und John wird sich selbstverständlich denken, dass wir sehr wohl miteinander schlafen.«
    »Ach! Und seine neue Hinwendung zu dir hat natürlich rein gar nichts damit zu tun, dass da ein Konkurrent aufgetaucht ist!«
    Merkwürdig, dass er tatsächlich noch sprechen konnte, Sätze formulieren, mit einem automatisierten Mund. Die vergangenen Tage mit Adriana – er hatte sie als schwebend und leicht erlebt, fast gedankenfrei. Sie hatten stundenlang Sex gehabt, und Adriana war gierig und verschweint gewesen. Wie von allen Hemmungen befreit hatte sie agiert, schamlos und exhibitionistisch, außerdem verschiedene Dildos und Instrumente ausgepackt und sich Glabrechts Dienstleistungen zunehmend herrisch bedient. Für den alten Glabrecht hatte es einige Uraufführungen gegeben, die er sich immer zu sehen, zu fühlen und mitzugestalten gewünscht hatte. Welchen Sinn hatte das gehabt? Nur ein-, zweimal, war ihm der Gedanken durchs Hirn geblitzt, dass das alles nicht unbedingt etwas Gutes für ihn zu bedeuten hatte. Dann aber war er wieder hingerissen von den Möglichkeiten, die sich ihm da geboten hatten, und von den Grenzüberschreitungen, die durchzuführen ihm befohlen worden waren. Mit der Sexualität konnte man ihn offensichtlich durchs Leben führen wie einen Tanzbär mit dem Seil an der Nase.
    »Willst du damit sagen, dass ich dich einsetze zur Stabilisierung meiner Beziehung zu John?«, fragte Adriana jetzt. Ihre Stimme klang wütend.
    Glabrecht, immer noch neben den Stadtmusikanten stehend, das Gesicht dicht vor der Rathausmauer, drückte das Gespräch weg, schaltete das Handy aus. Wieder am Essenstisch sitzend, verschwammen die Gespräche um ihn herum zu einem einzigen, quälend lauten Rauschen, so, als sei sein Tinnitus aus dem Ohr herausgekrochen und erfülle jetzt, um das Tausendfache verstärkt, den Raum. Mechanisch hob er sein Weinglas zum Mund, ließ mehrfach nachschenken, ohne sich darum kümmern zu können, welchen Eindruck das machte.
    »Sind Sie okay, Herr Senator?«
    Mavenkurt hatte das gemurmelt, sehr diskret, indem er mit dem Messer auf den Teller

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