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Die Gruseltour von Schreckenstein

Die Gruseltour von Schreckenstein

Titel: Die Gruseltour von Schreckenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Gast hereinzugeleiten.
    Ottokar und Stephan grinsten. „Der will sie gleich fragen, wer bei dem Fotostreich dabei war!“
    „Dreht euch mal um“, flüsterte Sophie.
    Während Dampfwalze auf der einen Seite Ausschau hielt, kam der Gast auf der andern herein. Burgherr Mauersäge hatte es sich nicht nehmen lassen, die Hellseherin mit einem Begrüßungstrunk in seiner Bibliothek zu empfangen. Der Rex und Fräulein Doktor Horn waren dabeigewesen . Mit Umgangsformen dieser Art hatte der Muskelprotz nicht gerechnet.
    Mädchen und Ritter klatschten, als die vier nach vorn kamen, und hatten viel zu tuscheln. Sah die Hellseherin aus wie eine Hellseherin? Wenn ja, wie sieht eine Hellseherin überhaupt aus? Sie war eine rundliche Frau mit auffallend grünen Augen. Ihr Blick verwirrte jeden. Eine gewisse Erwartungshaltung spielte dabei gewiß ihre Rolle. Man wußte ja um ihre übersinnlichen Fähigkeiten und hoffte auf Kostproben. Doch es war nicht nur das. Eine merkwürdige Spannung lag in der Luft, wie ein Gewitter am fernen Horizont, das sich Zeit läßt.
    Dampfwalzes Begrüßung blieb Fehlanzeige. Er schloß zuerst den Mund, dann die Verbindungstür und schlich auf seinen Platz, denn der Rex klatschte in die Hände. Sofort trat Ruhe ein. Mauersäge sprach Begrüßungsworte. Dabei schaltete er so wenig, daß Eugen sich wunderte. „Mann! Wie macht der das heut? Alles im direkten Gang.“
    Fräulein Doktor Horn spendete als erste Beifall, andere folgten. Mauersäge geleitete den Gast zu dem kleinen Podest, auf dem ein Tisch, dahinter ein Stuhl standen. Sie setzte sich, sah lange in die Menge, durch sie hindurch oder über sie hinweg, bis es mucksmäuschenstill war im Saal. Doch sie fing nicht zu sprechen an, schaute weiter in die Menge, durch sie hindurch oder über sie hinweg. Es blieb still. Alle warteten gespannt darauf, daß sie anfangen möge zu sprechen. Dieses Schweigen, dieser seltsame Blick erregte die Gemüter.
    „Das war die Sprache vor der Sprache“, begann sie endlich mit leiser, klarer Stimme. „Unsere persönlichen Schwingungen haben sich miteinander bekannt gemacht. So verständigen sich Tiere und sogenannte Wilde, die außerhalb unserer Zivilisation leben, wenn sie einander begegnen. Sie wissen sofort, ob Freund oder Feind. Die Schwingungen, die sie aussenden, können nicht lügen. Wir können das. Mit den Wörtern unserer Sprachen. Wir haben uns abgewöhnt, wahrzunehmen, was in der Luft liegt. Wir haben unsere natürlichen Antennen durch künstliche ersetzt. Wir hören Radio, telefonieren, sehen fern, lesen Barometer und Seismographen ab. Zum Glück verlassen wir uns nicht nur auf Geräte, wir bleiben aufeinander angewiesen. Was viele Menschen denken, glauben, für falsch oder für richtig halten, was sie fürchten oder sich wünschen, hat seine eigenen, intensiven Schwingungen. Sie bereiten neue Entwicklungen vor, wie alle geistige Kraft. Sensible Menschen nehmen sie auf und teilen sie mit. Man nennt das neue Ideen’. Kommen sie zu früh, werden sie abgelehnt. Sie müssen im richtigen Augenblick kommen. Manches, das schon reif wäre, kann noch nicht gesagt werden, ohne Empörung auszulösen und völlig idiotische Nebenerscheinungen. Aber das Neue kommt dann doch. Das ist immer so, in jeder Gemeinschaft. Am Neuen muß sich das Alte bewähren, ob es noch trägt oder nur mehr Gewohnheit ist. Solchen Bewährungsproben sind Gemeinschaften immerzu ausgesetzt. Wert hat, was sich bewährt, obwohl oder weil es ständig in Frage gestellt wird.“
    Die Hellseherin schloß den Mund, ihre grünen Augen schauten in die Menge, durch sie hindurch oder über sie hinweg. An Schwingungen fehlte es nicht. Der Saal war voll davon. Keiner konnte sich ihnen entziehen.
    Ottokar beugte sich vor und sah Stephan an. Sophie drückte seine Hand, in der Reihe dahinter gab Dampfwalze einen jaulenden Ton von sich, starr, mit offenen Mündern, saßen die Minis da, und Witzbold Klaus neigte sich zu Ingrid. „Ganz schöner Berg, was da auf einmal in der Luft liegt!“
    Nach dieser Einleitung war auch dem letzten Zweifler klar, daß er’s mit einer Hellseherin zu tun hatte. Treffender, dabei ganz unverfänglich verpackt, konnte die innere Verfassung der Ritterschaft nicht geschildert werden. Mücke und Strehlau machten sich eifrig Notizen. Was da gesagt worden war, durfte nicht verlorengehen, auch nicht der Seitenhieb mit den, idiotischen Nebenerscheinungen’. „Wie mir eure Schwingungen sagen, haben wir uns verstanden“, fuhr die

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