Freiheit fuer Mama
Prolog:
Vom Glück, eine Rabenmutter zu sein
Mittwochmorgens um Viertel nach acht gehe ich zum Sport. Vorher habe ich Piet, meinen Jüngsten, zur Tagesmutter gebracht, wo er bis mittags bleibt. Paul, der Größere, ist in der Kita. Mittagessen inklusive. So habe ich ein bisschen Luft und kann mir vor der Arbeit den Rücken stärken.
Bei der Gymnastik, die ich mache, wird jeder Muskel am Körper trainiert. Und zwar so: Für je etwa 15 Sekunden dehnen und strecken wir die Bauch-, Arm- oder Rückenmuskulatur. Dann sagt Nelly, die Lehrerin: »Pause.« Wir liegen also platt auf dem Bauch, auf dem Rücken oder auf der Seite und ruhen uns aus. Aber nur ganz kurz, etwa fünf Sekunden lang, dann geht es weiter.
Anfangs dachte ich: Was ist das denn für eine Luschi-Gymnastik? Die machen ja ständig nur Pause! Ich wollte es so richtig krachen lassen und Bauch, Beine und Po ordentlich auf Vordermann bringen. Und nun das: Übung – Pause – Übung – Pause – Übung – Pause. Aber mit der Zeit habe ich gemerkt, dass es das richtig bringt: Am Ende der Stunde bin ich topfit und frisch für den Tag. Obwohl selbst die 80-jährigen Omis, die ebenfalls im Kurs mitturnen, die 60 Minuten Unterricht mit links schaffen. Manche hängen gleich noch eine weitere Stunde dran. Tatsächlich – das Training überfordert nicht, aber es fordert!
Seitdem ich zur Gymnastik gehe, versuche ich, das Pausen-Prinzip auch in den Alltag einzubauen. Das heißt: Ich halte zwischendurch immer mal an. Das kann eine Minutenpause bei einem Kaffee sein, für den ich die Füße hochlege und dabei Löcher in die Luft gucke, oder auch ein längerer Freiflug. Der sieht so aus, dass ich mich ein paar Stunden oder Tage aus allem rausziehe: mit den Freundinnen, den Kids, allein oder mit dem Mann. So tanke ich immer wieder auf und komme zu Kräften. Denn das ist es ja, was uns Mamas oft ausgeht: die Puste. Wir reiben uns den ganzen Tag für Kind und Kegel auf und vergessen uns selbst darüber.
Das klingt jetzt sehr fortschrittlich: Ich nehme mir eine Auszeit! Herrje, ich habe mir das lange Zeit überhaupt nicht gegönnt! Ich dachte: Nur wenn du ordentlich rödelst, dann bist du eine gute Mutter. Wenn du top bist im Job, im Bett, im Parkettwienern und im Poabwischen, ja, dann bist du wer. Dann hast du es wirklich geschafft. Und bekommst Anerkennung.
Und so ist es ja auch: Mamas, die sich für die Familie aufribbeln, alles perfekt unter einen Hut bekommen, ihre Kinder fördern, die Blumenrabatte vor dem Haus in Schuss halten und dabei auch noch gut aussehen, sind gute Mütter. Wer sich aber im Büro krankmeldet, weil der eigene Akku leer ist, sich eine Putzfrau gönnt, obwohl man selber putzen könnte, oder die Kinder am Wochenende zu Oma und Opa bringt, um mal wieder in Ruhe Zeitung zu lesen, gilt als wenig belastbar – oder als Rabenmutter.
Doch nachdem ich eine ganze Weile nach dem Supermama-Strickmuster gelebt hatte, passierte etwas ganz und gar Unerwartetes: Ich machte schlapp. Eines Vormittags, nach 21 durchwachten Nächten und ebenso vielen hektischen Tagen, an denen ich nur hin- und hergeflitzt war zwischen Arbeit, Supermarkt, Kita, Tagesmutter, Förderkursen und Biobauernhof, fiel ich einfach um. Bums. Es war gar nichts besonders Schlimmes, eine Kreislaufstörung oder so. Ich musste für ein paar Tage zur Beobachtung ins Krankenhaus. Doch für mich war das ein Alarmzeichen: Wenn du so weitermachst, sind deine Kinder bald Halbwaisen und dein Mann Witwer.
Wie ich da so am Boden lag und später dann im Krankenhaus, da habe ich plötzlich mit aller Macht gedacht: Nee, das kann es nicht gewesen sein. Es muss im Leben doch noch etwas anderes geben als sich für die Brut, das Abendbrot und den Gatten aufzuopfern. Ja, ich dachte: Wo hier ist eigentlich mein Raum, die Zone, die nur mir gehört? Die gab’s doch früher auch! Der Raum, in dem ich selbst wachsen und gedeihen kann – oder einfach nur die Zeitung lese und in der Nase bohre.
Daraufhin habe ich mich in aller Form dazu entschlossen, das zu werden, was man eine »Rabenmutter« nennt. Ich nehme mir regelmäßig meine Freiflüge, bin also nicht mehr nur für die anderen da, sondern auch bei mir. So pendle ich mich immer wieder ein und kann gestärkt durchstarten. Und, yeah, das ist ein richtig gutes Gefühl. Nein, es ist mehr. Es macht mich leicht und beschwingt. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, abzuheben. Dann habe ich richtig Lust auf das Leben. Jawohl, auf mein Leben und auf das mit Kindern
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