Die Günstlinge der Unterwelt - 5
auf die D’Haraner hinab. »Ich sagte es schon, Bruder, wir stehen auf derselben Seite. Wir beide streiten gegen das Unheil des Hüters. Es ist nicht nötig, daß wir uns gegenseitig bekämpfen.«
»Wenn Ihr kämpfen wollt, dann tut es mit dem Schwert. Wenn nicht, verzieht Euch!«
Die annähernd zweihundert Reiter musterten die beiden D’Haraner, die keinerlei Regung zeigten, und Angst schon gar nicht. Schließlich waren sie nur zwei D’Haraner – kein schwieriges Problem, trotz ihrer Größe. Wenigstens hätte ein Narr dies denken mögen. Richard hatte überall d’Haranische Truppen in der Stadt gesehen. Es war möglich, daß sie beim ersten Anzeichen von Ärger sofort zur Stelle waren.
Die Reiter schienen wegen der anderen D’Haraner jedoch nicht sonderlich besorgt zu sein. »Ihr seid nur zu zweit, Bruder. Die Chancen stehen nicht gut.«
Der zu Richards Linken ließ seinen Blick beiläufig an der Reihe der Reiter entlangwandern, drehte den Kopf und spuckte aus. »Ihr habt recht, Geck. Egan hier wird zurücktreten, um die Chancen für Euch ein wenig auszugleichen, während ich mich um Euch und Eure phantasievoll kostümierten Soldaten kümmere. Aber Ihr solltet Eurer Sache sicher sein, ›Bruder‹, denn wenn Euer Fuß den Boden berührt, auf mein Wort, dann sterbt Ihr zuerst.«
Augen aus Eis, reglos und kalt, taxierten die beiden einen Augenblick lang, dann murmelte der Mann in der polierten Rüstung und dem karminroten Cape einen Fluch in einer fremden Sprache und ließ sein Gewicht zurück in den Sattel sinken. »Wir haben wichtigere Dinge zu erledigen. Das hier ist reine Zeitverschwendung. Er gehört Euch.«
Auf sein Winken hin jagte die Reiterkolonne die Straße hinauf, haarscharf vorbei an Richard und den beiden, die ihn festgenommen hatten. Richard mühte sich ab, aber die beiden, die ihn hielten, waren zu kräftig, und er bekam die Hand nicht an sein Schwert, als sie ihn forttrugen. Er suchte die Dächer ab, konnte aber nichts entdecken.
Die Menschen ringsum wandten sich ab, wollten mit dem ganzen Streit nichts zu schaffen haben. Als die beiden riesenhaften D’Haraner Richard von der Straßenmitte fortzerrten, sprangen die Menschen hastig zur Seite, so als hätten sie hinten im Kopf Augen. Sein gedämpftes, wütendes Geschimpfe ging im Lärm der Stadt unter. So sehr er es auch versuchte, er bekam keine Hand in die Nähe einer Waffe. So schwebte er über den Schnee hinweg, während seine Füße auf der Suche nach Halt ins Leere traten.
Richard mühte sich ab, doch bevor er Gelegenheit fand, darüber nachzudenken, was er als nächstes tun sollte, schleppten sie ihn in einen engen Durchgang zwischen einem Gasthaus und einem anderen Haus mit verschlossenen Läden.
Ganz hinten im Durchgang, im trüben Schatten, warteten vier dunkle, in lange Umhänge gehüllte Gestalten.
8. Kapitel
Die beiden riesigen D’Haraner setzten Richard sachte ab. Als seine Füße den Boden berührten, fand seine Hand das Heft seines Schwertes. Die beiden Soldaten stellten sich breitbeinig auf und verschränkten die Hände hinter dem Rücken. Aus dem im Schatten liegenden Ende des Durchgangs kamen die vier in lange Umhänge gehüllten Gestalten auf ihn zu.
Richard entschied, daß Flucht einem Kampf vorzuziehen sei, zog nicht sein Schwert, sondern warf sich zur Seite. Er rollte durch den Schnee und kam wieder auf die Füße. Mit dem Rücken schlug er krachend gegen eine kalte Ziegelmauer. Keuchend hüllte er sich in sein Mriswithcape. Einen Herzschlag später wechselte das Cape die Farbe, paßte sich der Mauer an, und er war verschwunden.
Es wäre ein leichtes gewesen, sich fortzuschleichen, solange das Cape ihn verbarg. Besser fliehen als kämpfen. Sobald er wieder bei Atem war.
Die vier marschierten vorwärts. Als sie ins Licht traten, blähten sich ihre dunklen Capes auf. Dunkelbraunes Leder in der gleichen Farbe wie die d’Haranischen Uniformen verhüllte ihre wohlgeformten Körper vom Fuß bis zum Hals. Ein gelber Stern zwischen den Hörnern eines Halbmondes schmückte die Vorderseite des Lederanzuges jeder Frau.
Als Richard diesen Stern mit dem Halbmond erkannte, schoß es ihm wie ein Blitz durch den Kopf. Häufiger als er zählen konnte, hatte man sein Gesicht, von seinem eigenen Blut verschmiert, gegen dieses Emblem gepreßt. Reflexartig erstarrte er, zog nicht sein Schwert, vergaß sogar zu atmen. Einen von panischer Angst erfüllten Augenblick lang sah er nur dieses Symbol, daß er nur zu gut
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