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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Leben ohne jede Bedeutung geführt.
    Ihr entging das blaue Feuer, das unterhalb des Wassers aufstieg und ihren Leib umhüllte.
    Ein blaues Feuer, das eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Marschmädchen aufwies, eine hochgradige Übereinstimmung in der DNA, ungeachtet der fünf Jahrtausende, die beide Wesen trennten. Ein blaues Feuer, geboren aus einer anderen Eklipse, einem anderen Geburtsdatum, ihrer anderen Bestimmung.
    Zwei Leben, denen es vorbestimmt war, sich zu begegnen und zu vermengen, da sie in Wahrheit eins waren.
    Von neuer Kraft beseelt, kämpfte sich das Mädchen aus den Marschen strampelnd aus der Dunkelheit frei, fort vom Erdboden, aufwärts, dem Tageslicht entgegen. Lange Gräser schlangen sich um ihre Beine, doch riss sie sich los. Mit beinahe berstenden Lungen durchbrach sie die Wasseroberfläche und schnappte nach Luft.
    Sie schaute sich um, wandte sich um, schaute weiter.
    Die ganze Welt bestand aus Wasser.
    Von Ost nach West, von Nord nach Süd spiegelte sich ein blauer Himmel im blauen Wasser. Überall sah es vollkommen friedlich, blau und identisch aus.
    »Heiliger Dung«, flüsterte sie vor sich hin.
    Von Armen und Beinen angetrieben, den Kopf hin und her wendend wie ein Raubtier auf Beutesuche, wühlte sie sich durch die Fluten. Nach wie vor sah sie nichts als Wasser um sich herum. Vielleicht hatten diese grünen Büschel ja eine Bedeutung. Sie hielt darauf zu. Ab und zu packte etwas im Wasser nach ihren Händen und zerrte an ihren Füßen.
    Dann glitt ein langer, brauner Schatten vorbei, und sie hielt den Atem an, weil ihr bewusst war, dass dies Gefahr bedeutete.
    Immer noch steuerte sie auf die grünen Sprösslinge zu. Die im Wasser gespiegelte Sonne blendete sie. Bremsen und Mücken attackierten ihr Gesicht und ihre Arme. Als sie eine Hand hob, um die Insekten von ihrem Gesicht abzustreifen, fiel ihr auf, dass sie am Kopf blutete. »Heiliger Dung«, flüsterte sie wieder, ohne zu wissen, warum.
    Natürlich war der Dung heilig - schließlich diente er zum Kochen und in der Nacht zum Heizen, er wurde für BreiUmschläge und Medikamente verwendet -, doch konnte sie sich nicht entsinnen, das jemals laut kundgetan zu haben. Was sie empfand, wenn sie die Worte aussprach, war eher Erstaunen und ein leiser Schrecken als Ehrfurcht. Als wäre die Bedeutung in der Übersetzung verloren gegangen.
    Was war denn eine Übersetzung? Was hatte dieses Wort zu bedeuten?
    Ihre Arme waren müde und ihre Beine ebenfalls. Irgendwo unterwegs hatte sie ihren geschwänzten Wollschurz und die Armreifen verloren, die ihr die Hindu-Händler gegeben hatten. Sie erreichte die grünen Inseln. Sie waren belebt und voller Vögel. Erst als sie nach den Büscheln schnappte, begriff sie, dass es Palmen waren. Palmkronen.
    Das Wasser stand bis zu den Baumwipfeln.
    Mit letzter Kraft erklomm sie die Palmspitze, verscheuchte die Vögel, stampfte die Wedel platt und kauerte sich zaghaft auf der Baumkrone zusammen. Ganz Shinar lag unter Wasser. Keine Hütten, keine Wasserbüffel, k eine Gufs oder Mashuf- Boote durchschnitten die Wasseroberfläche.
    Wo waren die übrigen Menschenwesen? War ihr Dorf so laut gewesen, dass die Götter erneut alle Menschen ertränkt hatten, so wie bei der Großen Flut vor vielen Generationen? Sie presste die Lippen aufeinander, um nicht aufzuschreien. Wie oft hatte ihre Mutter sie gewarnt, leise zu sein, wenn sie mit ihren Geschwistern in den Marschen gespielt hatte, weil sonst die Götter der Menschheit überdrüssig und sie zum Schweigen
    bringen würden.
    Sie presste die Hand auf den Mund, um die Schreie zu unterdrücken, die mit immer größerer Macht nach oben drängten. Aber wenn ich ganz allein noch übrig bin, was tut es dann noch zur Sache, ob ich schreie? Das Gefühl des Verlusts brachte sie fast um den Verstand, dabei konnte sie sich gar nicht erinnern, wen sie eigentlich verloren hatte. In ihrem Geist schwebte verschwommen ein Antlitz, doch hatte es Augen, wie das Marschmädchen noch nie welche gesehen hatte. Augen wie ihre Armreifen. Goldene Augen.
    Sie schlug sich die Hand vor die Augen. Dachte sie gerade an einen Gott? Warum sollte sie an einen Gott denken? Warum sollte ein Gott über sie kommen? Sie war ein Niemand, ohne Einfluss, ohne Macht. Sie linste durch die Finger. Schafe waren auch keine zu sehen.
    Irgendwie war dies eine viel ernstere Frage als die Augen eines Gottes. Und leichter zu verstehen. Es gab keine Herde mehr, und das bedeutete, dass sie auch den Ziegenbock verloren

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