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Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)

Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)

Titel: Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Bluhm
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Weihnachtszauber verzichten. Wie schön wäre es, an Heiligabend nach Arbeitsschluss ins nächste Flugzeug zu steigen und wie Madeleine einfach zu verschwinden. Irgendwohin, wo statt Tannen vielleicht Palmen mit Kugeln behängt werden, wo Weihnachtsmänner nicht Schlitten, sondern Wasserski fahren. Wo ich mich nicht mit schwerem Gänsebraten vollstopfen müsste, sondern stattdessen kühle Fruchtcocktails schlürfen könnte. Das wäre sicher erholsamer als ein deutsches Weihnachtsfest. Obwohl, was sollte ich alleine unter einer geschmückten Palme? Und es macht auch keinen Spaß, mit niemandem darüber lachen zu können, wenn der Weihnachtsmann ins Wasser fällt.

15. Dezember, Sonntagvormittag,
3. Advent, noch 9 Tage!

    «Wenn Omaaa die Augen zuhat, dann schläft sie», höre ich Eric zischeln.
    «Oder sie ist tot, wie der Opa», überlegt Jan. «Und wer tot ist, kriegt Blumen … Auf dem Schrank ist so ein Kranz, wie der Opa immer auf dem Grab hat … Ich kann ihn mit dem Stuhl runterholen … Den legen wir ihr dann aufs Bett …»
    Abrupt fahre ich hoch: «Untersteht euch, ihr Lausejungs.»
    Kichernd rennen die beiden Schlafanzug-Helden davon. Ich schmunzle vor mich hin.
Tot wie der Opa
, auf was für Ideen Kinder kommen!
    «Ooomaaa, baaacken …», brüllt Jan auch schon und öffnet den Backofen.
    Etwas übermüdet nach dem gestrigen Lesemarathon vor dem Zubettgehen und den Vorbereitungen des Teiges strecke ich mich ausgiebig. «Wir frühstücken erst noch, danach geht’s los», antworte ich, während ich mich von der Schlafcouch erhebe.
    Im Morgenmantel schlurfe ich in die Miniküche, wo sich die Jungs inzwischen am offenen Kühlschrank zu schaffen machen. Der kleine reicht dem großen Bruder Milch, Butterdose und Eier. Da sie öfter an den Wochenenden hier übernachten, wissen sie natürlich, wo sie was finden, und dass ich nicht wie sie Haferflocken in Kakaomilch löffle, sondern zwei weiche Eier verzehre.
    Mit vereinten Kräften räumen wir noch das Bettzeug weg, schieben die Schlafcouch zusammen und begeben uns danach ins Bad. Als wir am gedeckten Couchtisch sitzen, stelle ich beruhigt fest, dass bis hierhin alles unfallfrei verlaufen und mein Teppich fleckenfrei geblieben ist.
    Im Radio läuft Weihnachtsmusik, die dritte Kerze am Adventskranz brennt in sicherer Entfernung auf der Kommode, und meine Enkel essen erstaunlich manierlich. Ich setze gerade das Messer an, um das erste Ei zu köpfen, als es an der Tür klingelt.
    «Tante Leni!», ruft Jan.
    «Ja, das wird Madeleine sein. Ihr dürft öffnen», erlaube ich. Sie warten schon sehnlichst auf ihre Tante, die wie eine große Schwester für sie ist.
    «Leni! Leni!», schreit nun auch Eric.
    Ich will noch zur Vorsicht mahnen, aber da springt der kleine bereits hoch, und auch der große Bruder bleibt nicht sitzen. Kein Wunder, dass er in der Hektik die Haferflocken-Schüssel umschubst. Als sich die schokoladigen Flocken über den hellen Teppich ergießen, klingt es passenderweise aus dem Radio: «Schneeflöckchen, Weißröckchen». Hektisch versuche ich, das Malheur mit den Servietten zu beseitigen, als die Kinder mit langen Gesichtern zurückkommen.
    «Uiii», staunt Eric und schubst seinen Bruder an. «Guck mal, was die Oma gemacht hat.»
    «Wer war denn an der Tür?», frage ich, während ich erfolglos weiterschrubbe.
    «Bloß eine Frau», murrt Eric.
    «Die will Zucker», erklärt Jan.
    «Kommen Sie doch rein», rufe ich über die Schulter, weil ich ahne, wer es ist.
    «Na, servus, wie is denn das passiert?», höre ich gleich darauf Frau Janatscheck, meine österreichische Nachbarin aus der zweiten Etage, fragen.
    «Die Oma hat eine Schweinsauerei gemacht!», sagt Eric mit bekümmerter Miene.
    Sie wirft mir einen amüsierten Blick zu. «Wenn’s Rotwein wär, tät’s mit Weißwein rausgehn», flachst sie.
    Jan zupft sie an ihrer mit Mehl und Butterflecken verzierten weißen Schürze. «Kinder dürfen keinen Wein trinken, das musst du doch wissen.»
    Lachend fährt sie ihm durchs Haar. «Hast ja recht, Schneckerl! Probieren S’ mal Backpulver», wendet sie sich wieder an mich. «Dick bestreuen, eine Nacht einwirken lassen und dann mit dem Staubsauger drüber.»
    Ich bedanke mich für den praktischen Tipp und frage, was ich für sie tun könne.
    «Ein Packerl Staubzucker wollt ich ausleihen, falls S’ eins übrig hättn. Grad, wie ich nämlich einen Zitronenguss für die Butterplatzerl anrührn möcht, merke ich, dass zu wenig im Haus ist.

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