Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)
Plätzchenbacken drin. Ich düse gleich wieder los. Katastrophen-Notdienst.»
«Was ist denn los?», frage ich.
Sie zieht eine Grimasse. «Mein geliebter Gatte hat den falschen Christbaum gekauft», zischt sie leise, damit es ihre Söhne nicht hören.
Oh, oh, dicke Luft, und das bereits zwei Wochen
vor
dem Fest. Na, super. Meine tatkräftige Tochter kann sehr ungemütlich werden, wenn irgendwas nicht nach Plan läuft. Vor allem, wenn Bernd querschießt. Katja wusste schon als Teenager, wie ihr Leben verlaufen würde, wann sie heiraten und wie viele Kinder sie haben wollte. Aber wieso ein Baum falsch sein kann, verstehe ich nicht.
«
Falscher
Baum?»
«Er hat die hässlichste Tanne der Welt angeschleppt», erklärt sie mit zornblitzenden Augen. «Jan-Georg, Eric-Anton, setzt euch nicht so dicht ran», ruft sie durch die Tür zum Wohnraum, wo die Jungs den Fernseher eingeschaltet haben.
«Wie,
hässlich
?», wiederhole ich irritiert. Schließlich sehen die gezüchteten Bäume bis auf die Größe alle ziemlich gleich aus.
Katja dreht sich wieder zu mir. «Na ja, es ist einer von diesen scheußlichen Allerweltsbäumen. Obwohl ich ihm genau erklärt habe, dass es eine Coloradotanne sein muss und wo er sie bekommt. Angeblich waren sie ausverkauft. Völliger Quatsch.» Sie tippt sich an die Stirn. «Zwei Wochen vor Weihnachten. Jetzt muss ich selber los. Dieses grässliche Gewächs werde ich auf den Müll befördern.» Sie wendet sich zum Gehen. «Noch was, Mama … Ich wollte dich bitten, sparsam mit Zuckerguss und Farbstoffperlen umzugehen. Ich war neulich mit den Jungs beim Zahnarzt, er war nicht begeistert. Milchzähne sollten kariesfrei sein, hat er mir erklärt, sie seien der Grundstock fürs spätere Gebiss.»
«Dann verstecke ich die Zuckerperlen am besten sofort. Oder hast du erst gar keine gekauft?»
«Ähm … also der Einkauf …», stammelt sie mit betretener Miene. «Ich muss doch jetzt den Baum besorgen und noch die Geschenke für die Nachbarn und einen Kuchen für den Kiga backen und … Danke, dass du die Jungs nimmst. Du bist die Beste.» Sie küsst mich auf die Wange und greift nach der Klinke. «Jetzt muss ich aber los.»
«Ach Katja, laste dir doch nicht immer so viel Arbeit auf. Eigentlich kommt es doch nur darauf an, dass wir Weihnachten gemütlich zusammensitzen und …»
«Apropos zusammensitzen», unterbricht sie mich hektisch. «Hat Madeleine dich schon angerufen?»
«Nicht in den letzten Tagen. Hat sie den neuen Job schon wieder verloren?», erkundige ich mich besorgt nach meiner Zweitgeborenen.
«Im Gegenteil!», schnaubt Katja. «Ihr Chef will sie mit in die Karibik nehmen, wo er irgendwelche Rituale fotografieren will.»
«Das ist doch wunderbar!» Ich freue mich für meine Kleine, die ein Praktikum bei einem renommierten Werbefotografen absolviert, der viel in der Weltgeschichte rumreist.
«Aber doch nicht ausgerechnet über Weihnachten!» Katja ist sichtlich aufgebracht. «Wer macht denn so was? Ein selbstsüchtiges Biest ist sie. Will unser Familienfest boykottieren. Papa hätte das niemals gutgeheißen. Da bin ich mir ganz sicher.»
Seit ihr Vater gestorben ist, fühlt sich Katja als älteste Tochter verpflichtet, die Familie an Weihnachten zusammenzuhalten. Einerseits finde ich das wirklich schön, und es rührt mich zutiefst, aber es darf nicht in Stress ausarten. Schließlich hat sie mit ihrem anstrengenden Beruf als Simultandolmetscherin und den zwei lebhaften Kindern genug am Hals.
Im Zimmer höre ich das Telefon klingeln.
«Omaaa … Teflon … Teflon», ruft Eric und stürmt einen Moment später zu uns in den Flur. «Tante Leni is dran, sie will aba nua mit dia reden.» Er hält mir das Mobilteil vor die Nase.
Katja verabschiedet sich noch einmal von den Jungs und strubbelt liebevoll durch die aschblonden Köpfe. «Benehmt euch anständig, ärgert die Oma nicht und macht nichts kaputt.» Mir winkt sie beiläufig zu. «Die sollen ihre Stoppersocken anziehen, auf dem Laminatboden ist es gefährlich glatt.» Und schon ist sie verschwunden.
«Alles wird gut!», rufe ich ihr nach.
«Hallooo … Mamilein», begrüßt mich Madeleine fröhlich.
«Grüß dich, Leni», sage ich. «Na, schon aufgeregt?»
Sie lacht. «Ah, die alte Petze hat mal wieder alles ausgeplaudert. Ich hab sie gerade gehört.»
«Es ist nicht nett, seine Schwester Petze zu nennen.»
«Ist doch wahr. Ich wollte dir die tolle Neuigkeit lieber selber erzählen, und jetzt hat die doofe Kuh
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