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Die Häuser der anderen

Die Häuser der anderen

Titel: Die Häuser der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Scheuermann
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den Liger das Lachen verkneifen musste, und konnte kaum mehr sprechen vor Zorn.
    Es war vor zwei Tagen geschehen. Sie hatten alle drei beisammen im Wohnzimmer gesessen, Anne malte, Christopher sah ein Fußballspiel im Fernsehen und Luisa las einen Kriminalroman. Nach einer Weile hatte Anne Luisa ihr Bild unter die Nase gehalten und gefragt, was das sei.
    »Nun, eine Katze wahrscheinlich. Eine große gelbe Katze. Hübsch.«
    »Noch mal.«
    »Oder wolltest du einen Hund malen? In Gelb?« Luisa hatte das untalentierte Kind sogar leidgetan.
    »Das ist ein Liger«, hatte Anne triumphierend gesagt. Und auf Luisas Frage, was um Himmelswillen ein Liger sei, hatte sie behauptet, es sei eine Kreuzung zwischen Tiger und Löwe.
    »Ach so, ein Fabelwesen«, hatte Luisa gesagt und wollte sich wieder ihrem Krimi zuwenden, doch Anne hatte beharrt, es gäbe Liger in Wirklichkeit, und sie hatten um fünf Euro gewettet.
    Mit Sicherheit hatte Christopher das Mädchen angestiftet, ihr die Wette vorzuschlagen. Christopher hatte die ganze Zeit so getan, als achtete er nur auf das Spiel, aber im Nachhinein war ihr klar geworden, dass er aufmerksam gelauscht und sich ins Fäustchen gelacht hatte. Er wusste, wie gerne sie Wetten abschloss. Zu gewinnen freute sie diebisch.
    Luisa zitterte vor Wut, wenn sie nur daran dachte. Wie sie dann »Liger« gegoogelt hatten und sie alles über die merkwürdige Kreuzung zwischen Löwe und Tigerin erfuhr, die laut dem Guinness-Buch der Rekorde bis zu 400 Kilogramm schwer werden konnte. Es gab auch eine Menge Fotos.
    Luisa hatte in das triumphierende Kindergesicht gesehen und sich bei dem Gedanken erwischt, wie angenehm und befreiend es wäre, ihr eine zu knallen. Mühsam beherrscht hatte sie später Christopher zur Rede gestellt, woraufhin er ihr mit herablassender Miene zu verstehen gegeben hatte, etwas Selbstironie könnte ihr nicht schaden, ihre Verbissenheit reize einen ja geradezu zu solchen Unternehmungen.
    »Das heckt ihr also aus, wenn ihr den ganzen Tag zusammensteckt!«, hatte Luisa gekeift.
    »Bist du jetzt eifersüchtig auf eine Neunjährige?«, fragte Christopher spöttisch.
    Jetzt war es, als wären diese Worte eben noch einmal gefallen, und sie sah ihn und den neuen Sessel mit einem Ausdruck kalter Verachtung an.
    Er sagte: »Lass mich bitte durch, ich bringe den Sessel in mein Zimmer«, und machte Anstalten, den Sessel an ihr vorbeizuschieben.
    Sie rief ihm hinterher: »Und vielleicht hättest du einfach mal etwas für mich kaufen können.«
    Er ließ den Sessel mit den Vorderbeinen auf eine Stufe sinken und drehte sich halb um: »Woher weißt du, dass ich das nicht getan habe?«
    Für einen Moment wurde sie unsicher, dann sah sie den Spott in seinen Augen glimmen. Er bluffte.
    »Tja, ich denke mir, wieso solltest du ausgerechnet jetzt damit anfangen? Wenn du es vorher noch nie getan hast?«
    Er stellte den Sessel in den ersten Stock und kam die Treppe bis zur Hälfte wieder herunter, so dass er auf sie herabsehen konnte: »Ich habe dir jedes einzelne Stück in deinem verdammten Zimmer gekauft. Du bist so maßlos!«
    Luisa schluckte. So etwas hatte er noch nie gesagt, dazu hatte er sich noch nie hinreißen lassen. Das hatte eine neue Qualität. Sie überlegte, wie sie die übertrumpfen konnte.
    »Wieso hast du mich dann geheiratet?«, fragte sie, und so, wie die Frage im Raum stand, wurde ihr ganz seltsam zumute.
    Er gab sich den Anschein, nachdenklich zu werden: »Ja«, sagte er langsam, »manchmal frage ich mich das auch.«
    Es dauerte einen Moment, bis die Worte in ihr Bewusstsein gelangt waren, dann füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie ließ ihn stehen, um zuerst in die Küche zu flüchten und dann, als sie seine Zimmertür knallen gehört hatte, ebenfalls in den ersten Stock, in ihr Zimmer. Sie bewegte sich wie in Zeitlupe, so schwer war sie verwundet. Langsam passierte sie seine Tür und ging in ihren Arbeitsraum. Es war ein großes, helles Zimmer, aber in diesem Moment erschien es ihr klein und dunkel. Der Schreibtisch – sie nannte ihn immer ihren »Rockabilly«, er war ein echtes Designermodell – war zugepflastert mit Papieren, darunter stapelten sich Bücher, nur ein Fleck war frei, nämlich der, auf dem Benno gerne lag, direkt bei ihren Füßen. Sie sah überdeutlich den Staub in den Ecken. Aus dem alten Sofa, einem Bretz, das leider schon ziemlich zerschlissen war, hatte sie mit etwas Dekorationsgeschick und einem schönen Granfoulard das Beste gemacht, aber jetzt

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