Die Häuser der anderen
lagen darauf auch noch ihre verschwitzten Yogasachen von vor zwei Tagen. Wann hatte sie begonnen, die Kontrolle über ihre ganz persönliche Umgebung zu verlieren, wie hatte das geschehen können? Zu viel Arbeit mit dem riesigen Haus?
Aber es war sowieso egal. Es war sein Haus, und sie würde es sein, die hier ausziehen musste. Sie würde irgend-wo neu anfangen und ihn nie wieder sehen, dann würde alles besser werden. Nur die Scheidungspapiere würde er noch von ihr bekommen.
Sie packte ein paar Sachen in ihre Wochenendtasche, dann fiel ihr auf, dass die Tasche ein Geschenk von ihm gewesen war. Nach kurzer Überlegung nahm sie den großen Sportbeutel, in dem sie normalerweise ihre Gymnastiksachen aufbewahrte. Sie hatte vor, zuerst einmal ins Kino zu gehen, um sich abzulenken und einen klaren Kopf zu bekommen. Dann würde sie weitersehen. Er sollte sich Sorgen machen, dass sie ihn vielleicht für immer verlassen hatte – wegen des Satzes mit der Heirat. Und wer weiß, vielleicht hatte sie das ja auch vor. Sie schulterte ihre Tasche und schlich die Treppe hinunter. Sie hätte Benno gerne gesagt, dass sie sich wiedersehen würden, aber der Hund hatte sich wie jedes Mal, wenn er laute Stimmen hörte, in irgendeinem Winkel verkrochen. Sie konnte ihn jetzt nicht suchen. Sie brauchte erst einmal Luft. Sie lief die ganze lange Waldfriedstraße hoch, vorbei an Dr. Taunstätts Tierklinik mit ihrer scheußlichen, an einen fleischfarbenen Sektentempel erinnernden Architektur, erwischte gerade noch den Bus Richtung Innenstadt, stieg dann aber bald wieder aus, weil sie unruhig war, und lief den Rest der Strecke. Es tat gut, schnell zu gehen, obwohl es heiß war. Bald tauchte der große Kinokomplex mit der roten Leuchtschrift auf. Die Straße davor war befahren wie immer, aber man sah kaum Passanten, nur eine Muslima, die einen Kinderwagen schob, und einen dicken Mann in Shorts, der am Kiosk stoppte. Irgendeine Mittagsvorstellung würde es schon für sie geben. Sie war nass geschwitzt, als sie an der Kasse stand, und hatte nicht an etwas zum Überziehen für den klimatisierten Saal gedacht. Gut, holte sie sich eben auch noch eine Erkältung, es war alles seine Schuld. Sie kaufte sich eine Eintrittskarte für eine romantische Komödie und zwei kleine Sektflaschen und freute sich tatsächlich ein wenig auf den Film.
Christopher hatte sie nicht gehen hören. Sie muss sich hinausgeschlichen haben, dachte er, typisch Luisa. Er war froh, für eine Weile Ruhe zu haben. So ein Theater wegen nichts und wieder nichts. Er hatte Anne von dem Liger erzählt, natürlich, aber er war davon ausgegangen, dass diese Spezies Luisa ein Begriff war. Immer wieder war er verblüfft, wie wenig Allgemeinbildung sie besaß. Von bildender Kunst verstand sie ziemlich viel, aber die Natur galt ihr nichts. Selbst wenn sie einen Sonnenuntergang sahen oder ein herrliches Feld im Schnee, hatte sie nur immer ein Gemälde parat, an das sie das erinnerte – ein Bild, das natürlich wesentlich spektakulärer war als alles, was es in Wirklichkeit gab. Dass sie in Botanik eine Null war, war ihm natürlich schon häufiger aufgefallen, aber dass das auch für die Zoologie galt, sah er erst jetzt, darüber hatte ihre Liebe zu Hunden hinweggetäuscht. Vermutlich kannte sie überhaupt keine Großkatzenhybride, die Ärmste. Er würde ihr eine Tabelle zeichnen, oben die weiblichen Tiere Löwin, Tigerin, Jaguarin, Leopardin, und links von oben nach unten die männlichen, also Löwe, Tiger, Jaguar, Leopard. Dann würde er übersichtlich die Kreuzungen eintragen: Löwe, Liger, Liguar, Liard, dann Tigon, Tiger, Tigua, Tigard, dann Jaglion, Jager und so weiter. Es war so leicht wie konjugieren und ebenso logisch – ohne Ausnahmen. Mit der nächsten Stufe der Zucht, Ti-Liger, der Kreuzung zwischen einem Liger und einem Tiger oder auch T-Lepjag, der Kreuzung eines Tigers mit einer Jaguar-Leopardenmischung, würde er sie gar nicht weiter belasten. Er lächelte zufrieden vor sich hin, als er daran dachte, dass Löwe und Tiger sich niemals in freier Wildbahn kreuzen würden, das geschah nur im Zoo, wenn es keine andere Möglichkeit gab. Die Natur war klug, sie suchte sich ihre Wege, und die Ergebnisse waren hochinteressant. Liger schwammen gerne, was für Löwen überhaupt nicht galt, dies war eine Vorliebe von Tigern. Artikulieren konnten sie sich in beiden »Sprachen«, wenn man so wollte. Sie waren fähig, wie ein Löwe zu brüllen, konnten aber auch, genau wie Tiger, die
Weitere Kostenlose Bücher