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Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Prolog
    venedig
    jahr 1576 nach christlicher zeitrechnung
    Sebastiano Venier, der Doge von Venedig, blickte mit Augen, die so aufgewühlt waren wie das Meer, aus seinem steinernen Vierpassfenster.
    Sein von vielen auf See verbrachten Jahren geschärftes Auge hatte den Sturm schon seit drei Tagen aufziehen sehen. Er ballte sich am Horizont zusammen und rollte über in einem fahlen Amethystton leuchtende Wellen. Jetzt war der Mahlstrom bei ihnen angelangt, und er hatte etwas weit Unheilvolleres mitgebracht als schlechtes Wetter.
    Der Doge mit seinem wehenden weißen Bart und der würdevollen Haltung war von Tintoretto gemalt und mit Neptun, der gleichfalls über ein Wasserreich herrschte, verglichen worden. Manchmal hatte man hinter vorgehaltener Hand sogar einen Vergleich mit Gott gewagt. Als gottesfürchtigem Mann hätte dem Dogen jeder dieser Vergleiche aus verschiedenen Gründen zutiefst missfallen, aber heute hätte er alles dafür gegeben, über die Allmacht zu verfügen, Venedig vor seiner schwärzesten Stunde zu bewahren.
    Er beobachtete, wie sechs zum Schutz vor den Elementen dicht zusammengedrängte Gestalten über das bereits vom aufgepeitschten Wasser überschwemmte Dock eilten und die einsetzende Ebbe an den Säumen ihrer schwarzen Gewänder zerrte. Die mit Kapuzen versehenen Umhänge verliehen ihnen das Aussehen von Mönchen, aber diese sechs Männer hatten sich nicht der Religion, sondern der Wissenschaft verschrieben. Sie befassten sich mit dem Leben und dem Tod. Sie waren Ärzte.
    Als sie näher kamen, konnte er ihre Masken deutlich erkennen; Schnäbel von der Farbe ausgebleichter Knochen, die sich raubvogelartig unter den dunklen Kapuzen krümmten. Die Masken allein wirkten schon Furcht einflößend genug, aber der Grund, aus dem sie sie trugen, war noch bedrohlicher.
    Sie waren seine Medici della Peste. Pestärzte.
    Es waren sechs Gelehrte aus guten Familien, an den besten medizinischen Lehranstalten ausgebildet, einer für jedes der sestieri, der sechs Stadtteile Venedigs. Diese sechs Ärzte zusammen zu sehen war ein böses Omen. Sebastiano Venier bezweifelte, dass sie sich zuvor überhaupt schon einmal begegnet waren, und sie schienen ihm wie schwarze Krähen über einem Grab zu schweben. Vielleicht seinem eigenen. Er ließ einen Moment lang die Schultern sinken und fühlte sich plötzlich sehr alt.
    Er sah zu, wie die Ärzte die einzigartige Riva degli Schiavori entlanggingen, eine der prächtigsten Straßen der Welt, und wusste, dass sie jetzt jede Minute seinen riesigen weißen Palast betreten würden. Der Doge fröstelte, als hätte ihn Gischt benetzt, lehnte den Kopf gegen die kühlen quadratischen Glasflächen des Fensters und schloss einen barmherzigen Moment lang die Augen. Hätte er das nicht getan, hätte er vielleicht eine venezianische Galeere gesehen, die rasch über das dunkle, auf- und abschwellende Wasser glitt. Doch er hielt die Augen ein paar Herzschläge lang geschlossen, um still dazustehen und die salzige Luft einzuatmen.
    Den Geruch Venedigs.
    Sebastiano Venier straffte sich, erinnerte sich daran, wer er war und wo er war. Er betrachtete die kunstvolle Steinmetzarbeit seiner Fenster, deren Scheiben aus feinstem venezianischem Glas seine Ohren vor dem Dröhnen des Meeres schützten. Dann blickte er auf, hob den edlen Kopf zur Decke und zu den unvergleichlichen roten und goldenen Fresken, die über Hunderte von Jahren hinweg von den besten Künstlern der Stadt gemalt worden waren und nun die gewölbte Fläche über ihm bedeckten. Und doch konnte all der Reichtum und die Pracht nicht die Pestilenz von seiner Tür fernhalten.
    Der Doge nahm auf seinem mächtigen Stuhl Platz und wartete darauf, dass ihm die Ankunft der Ärzte gemeldet wurde. Sie strömten tropfnass in den Raum und bildeten wie Geier einen Halbkreis um ihn. Die in ihre Masken eingesetzten roten Kristallaugen glitzerten hungrig, als seien ihre Träger bereit, ihm das Fleisch von den Knochen zu picken. Doch sowie sie zu sprechen begannen, verlor der Doge jegliche Furcht vor ihnen.
    »Wir haben es kommen sehen, Herr«, sagte einer von ihnen. »In den botanischen Gärten der Jesuiti hat es in der letzten Zeit ungewöhnlich viele Schmetterlinge gegeben – Hunderttausende von ihnen.«
    Der Doge hob eine schneeweiße Braue. »Schmetterlinge?«
    Der Arzt, dem der stählerne Unterton in Veniers Stimme entging, plapperte weiter. »Ihr wisst doch, Doge, dass Schmetterlinge als Vorboten der Pest bekannt sind.«
    »Das ist

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