Die Heilerin
Thilda zu Kräften zu bringen. Wenn es der Mutter schlecht ging, konnte sie sich nicht um das Kind kümmern. Margaretha kannte nur die Mutter von Thilda, diese jedoch nur flüchtig. Es verwunderte sie, dass Mevrouw Scheuten nicht bei ihrer Tochter war und ihr half. Die meisten Wöchnerinnenhaushalte wurden von den Müttern und Schwiegermüttern, den Nachbarn und Freunden geradezu überschwemmt. Jeder kam, half, brachte Speisen oder Getränke. Oftmals ging es laut und fröhlich zu. Hier jedoch herrschte eine Grabesstille, die fast schon beängstigend war, zumal beide Familien in der Straße wohnten.
»Katrinchen?« Sie betrat die Küche. Das Feuer im Ofen war heruntergebrannt, aber die Glut spendete ausreichende Wärme. Es duftete nach einem gehaltvollen Eintopf und nach gebratenem Fleisch. Die Magd saß auf einem Schemel vor dem Herd und pulte Erbsen aus. Keine Kerze brannte. Margaretha kniff die Augen zusammen. »Katrinchen?«
Die Magd hob müde den Kopf, sah Margaretha an.
»Mach Licht, Mädchen. Meine Mutter braucht einige Dinge. Vor allem ein wenig kochendes Wasser – aus einem sauberen Topf. Eine Schale, Leinentücher, warmes Wasser, Rotwein und ein frisches Ei. Hast du das da?«
Die Magd stand langsam auf, nahm einen Kienspann, entzündete ihn am Herdfeuer, zündete zwei Kerzen an, die aufdem Tisch standen. »Wasser, Brühe, Tücher … und was war das noch alles?«, fragte sie erschöpft.
»Erstmal brauche ich kochendes, sauberes Wasser für einen Aufguss. Am besten direkt aus dem Brunnen. Hast du einen sauberen Topf? Er muss nicht groß sein.«
Katrinchen nahm einen Topf vom Haken über der Herdstelle. »Reicht der?«
Margaretha nickte. Sie dauerte das junge Mädchen, das offensichtlich überfordert war. Wieder fragte Margaretha sich, wo die Familie blieb. »Ist der Topf sauber?«
»Ich werde ihn am Brunnen auswaschen. Er wird selten benutzt.« Die Magd öffnete die Tür zum Hof, ein Schwall eisiger Luft strömte in die Küche, Margaretha zog die Schultern fröstelnd hoch. Während Katrinchen den Topf auswusch und mit frischem Brunnenwasser füllte, suchte Margaretha nach Wein. In der Vorratskammer neben der Küche, dort, wo ihre Mutter offene Weine aufbewahrte, fand sie nichts. Verwirrt sah sie sich um. Die Vorratskammer war gut bestückt. Gepökeltes Fleisch hing von der Decke, Säcke mit Getreide und Bohnen standen am Boden. Aber nirgendwo war eine Flasche Wein zu entdecken.
Inzwischen hatte die Magd den Topf mit dem Wasser über den Herd gehängt, das Feuer wieder angefacht. Es flackerte munter, und die Schatten tanzten Reigen an den Wänden.
»Habt ihr keinen Wein?«, fragte Margaretha.
»Doch, im Keller. Er wird selten getrunken in der letzten Zeit. Mijnheer hält sich an Branntwein, seit es den Streit gab. Rotwein? Ich hole ihn.« Sie nahm eine der beiden Kerzen, schützte die Flamme mit ihrer Hand, ging zum Vorratsraum, öffnete die Luke zum Keller und stieg die steile Stiege hinab.
Den Streit, dachte Margaretha verwirrt und merkte sich diesen Punkt. Er schien wichtig zu sein. Nur wusste sie nicht, wie sie es ansprechen sollte. Das Wasser in dem Topf brodelte und kochte schließlich. Margaretha nahm ein kleines irdenesGefäß, gab vorsichtig die getrockneten Blätter und Blüten hinein, übergoss sie dann mit dem heißen Wasser und stellte es zum Ziehen auf den Tisch. Das restliche Wasser im Topf ließ sie abkühlen. Sauber und handwarm würde ihre Mutter es brauchen.
Schnaufend kam Katrina aus dem Keller, in der Hand einen Krug mit Rotwein. Sie stellte ihn auf den Tisch, löste die Wachsversiegelung des Korkens und schnupperte am Krug.
»Das ist ein kräftiger Wein. Was soll ich damit machen?« »Hast du frische Eier?«
»Zwei noch. Die Hennen hat der Wetterumschwung offensichtlich so verschreckt wie uns. Wie kann es so schnell so bitterkalt werden? Wir haben kaum noch Holz zum Heizen, und Mijnheer war heute nicht fähig, etwas zu besorgen. Ich hoffe, er kommt allmählich wieder zu Verstand.«
»Das wird schon«, murmelte Margaretha unbeholfen, die sich plötzlich die Lebenserfahrung ihrer Mutter wünschte. Sie spürte die Not der Magd, traute sich aber nicht nachzufragen. Etwas lag hier im Argen. Zusammen brachten die beiden Mädchen die Sachen nach oben. Immer noch schien Thilda nicht ganz bei sich zu sein, aber inzwischen saß sie im Bett, und ihr kleiner Sohn trank gierig an der Brust.
»Du hast nicht viel Milch. Wenn die Milch nicht bald einschießt, wird es schwierig werden.
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