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Die Heilerin

Die Heilerin

Titel: Die Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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auf ihr Kind. »Darf ich ihn haben?«
    Gretje ging nicht auf die Frage ein, bemerkte Margaretha und lehnte sich neugierig betrachtend zurück. Würde ihre Mutter der jungen Frau helfen können?
    »Wer hat gestritten?«, fragte Gretje.
    Verlegen senkte Thilda den Kopf. »Vater hat mit Peter gestritten. Es ist schon ein paar Wochen her, aber eine Versöhnung ist nicht in Sicht.«
    »Und worüber?«
    »Es geht um die Kindstaufe. Peter möchte, dass sein Kind getauft wird. Sofort. Vater will das nicht dulden. Die Schwiegereltern stehen natürlich auf der Seite ihres Sohnes, und ich sitze zwischen den Stühlen. Ich bin Mennonitin, aber ich bin mit einem Protestanten verheiratet. Was soll ich tun? Mit Mutter und Vater brechen und mich meinem Mann beugen?« Thilda war immer hektischer geworden. Margaretha hatte den Eindruck, als sei die junge Frau froh, endlich mit jemandem über ihren Kummer und ihre Sorgen sprechen zu können. Bei meiner Mutter ist sie da richtig, dachte Margaretha. Gretje hatte immer ein offenes Ohr für die Sorgen anderer Leute und ging feinfühlig damit um.
    »Dass du einen Protestanten geheiratet hast, war dir doch schon vorher klar, nicht wahr?« Gretje lächelte. »Und deinen Eltern auch. Sie haben der Vermählung zugestimmt.«
    »Aber nur, weil ich versprochen habe, die Kinder in unserem Glauben zu erziehen.«
    Johann Scheuten, Thildas Vater, gehörte zu den Gemeindevorstehern, fiel Margaretha ein. Er war ein strenger Mann, der jedoch zu ihr immer sehr gütig gewesen war. Solange man die Regeln der Glaubensgemeinschaft einhielt, war er freundlich und wohlwollend, aber wenn man diese übertrat, konnte er böse werden und äußerte dies auch laut. Margaretha war froh, nicht in Thildas Haut zu stecken. Sie konnte sich vorstellen, wie der Vater der jungen Frau reagiert hatte.
    »Und nun willst du dein Versprechen brechen?«, fragte Gretje leise.
    »Nein, eigentlich nicht. Aber meinem Gatten ist es plötzlich so wichtig, dass das Kind getauft wird. Wir haben darüber nie gesprochen vorher. Er liebt mich, und es ist für ihn keine Schwierigkeit, dass ich meinen Glauben auch weiterhin lebe. Aber er hat Angst um das Seelenheil des Kindes. Das wurde ihm erst bewusst, als mein Bauch wuchs und er Bewegungen spüren konnte. Davor hat er sich wohl nicht viele Gedanken darüber gemacht.«
    »So ist das also.« Gretje drehte sich um. »Margret, geh in die Küche und schick die Magd zu Thildas Eltern. Sie möchten bitte hierher kommen.«
    »Meine Eltern?« Die junge Frau zog sich die Decke bis zum Kinn und schüttelte entsetzt den Kopf. »Das gibt Mord und Totschlag.«
    »Mitnichten. Wir werden eine Lösung finden, die für alle akzeptabel ist.«
    Wie die wohl aussehen wird, dachte Margaretha, während sie die Treppe hinuntereilte. Sie schickte die Magd zu den Scheutens. Nur widerwillig machte sich Katrinchen auf den Weg.
    Als Margaretha wieder in das kleine, aber warme Zimmer kam, versuchte Thilda erneut, ihren Sohn zu stillen. Diesmal schien es besser zu gehen. Zum ersten Mal sah sie das Leuchten, das von frischgebackenen Müttern ausging, über das Gesicht der jungen Frau ziehen. Die Mahlzeit, der Wein und vermutlich auch der Zuspruch der Hebamme hatten Thilda aufgemuntert.
    Gretje zeigte Thilda, wie sie das Kind anlegen und halten sollte, erklärte ihr, wie wichtig es war, das Kind zwischendurch hochzunehmen, an die Schulter zu lehnen und sanft auf den Rücken zu klopfen, damit die geschluckte Luft wieder entweichen konnte. Margaretha war verblüfft, wie unbedarft Thilda war.
    »Wie man ein Kind wickelt und puckt, wisst Ihr?«, fragte Margaretha ein wenig schnippisch.
    »Um ehrlich zu sein, nein.« Wieder überzog sich das Gesicht der jungen Frau mit Schamesröte. »Keine meiner Freundinnen hat ein Kind, die meisten sind noch nicht einmal verheiratet. Die Eltern haben mich immer vom Gesinde ferngehalten, und ich habe mich lieber mit anderen Dingen beschäftigt. Meine Mutter wollte es mir zu gegebener Zeit zeigen, aber dann kam der Streit.« Sie schluckte.
    »Das werden wir schon alles lösen. Mach dir keine Sorgen, das wird schon«, beruhigte Gretje die junge Frau und sah sich nur kurz um. Margaretha spürte den ärgerlichen Blick ihrer Mutter und schämte sich.
    Als unten die Tür schlug und sie Schritte auf der Treppe hören konnten, nahm Gretje den Säugling auf den Arm. Margaretha hatte weitere Kerzen entzündet. Draußen war es inzwischen vollends finster geworden, und wieder jagte der Wind um die

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