Die Heilerin
hatte sie schon am gestrigen Abend angesetzt, sie formte die Brotlaibe und schob sie in den Ofen. Sie öffnete die obere Hälfte der Tür, die laue Luft trug den Duft der Gärten in das Haus. Die Äpfel-, Kirsch- und Pfirsichbäume trugen schwer an ihren Früchten. Johannis- und Himbeeren gab es reichlich, das Gemüse im Garten und die Früchte auf den Feldern gediehen über alle Erwartungen hinaus.
Margaretha setzte Brühe auf, zerstieß Mais für den Morgenbrei, schnitt Wurzeln und Zwiebeln. Dann wusch sie sich die Hände und verließ das Haus. Hermann, Esther und die Kinder hatten ihre Zimmer im oberen Stockwerk, und bevor sie ging, hörte Margaretha die ersten Zeichen des Wachwerdens. Das Neugeborene schrie, die Jungs rumorten. Schon bald würde das Haus zu vollem Leben erwacht sein; alle würden sich um den Tisch versammeln und das erste Mahl des Tages zu sich nehmen.
Margaretha nutzte die frühe Stunde und ging zum Grab ihrer Mutter. Nachdem die Schneeschmelze eingesetzt hatte und der Boden nicht mehr gefroren war, wurden ordentliche Gräber gegraben und die Toten bestattet. Ein schlichter Stein erinnerte an Gretje. Oft ging Margaretha in den frühen Morgenstunden zur kurzen Andacht hierher. Die Tage waren angefüllt mit allerlei Tätigkeiten, nur selten kam sie zur Ruhe. Doch hier konnte sie sich für einen Moment besinnen und innere Zwiesprache mit Gott halten.
Hin und wieder sah sie am Waldrand einen der Lenape stehen. Zuerst hatte sie die Hand zum Gruß erhoben, doch der Wilde reagierte nie. Inzwischen nahm sie seine Anwesenheit einfach hin, es hatte etwas Beruhigendes.
Als sie zum Haus zurückkehrte, saß die Familie schon um den Tisch. Die Brüder op den Graeff und ihre Familien trafen sich jeden Sonntag, beteten und speisten miteinander. Dadurch, dass sie nun eigene Häuser hatten und nicht mehr so oft aufeinandertrafen, entspannte sich auch die Situation mit Catharina.
Margaretha nahm sich ein Stück von dem noch warmen Brot, bestrich es mit Butter. So sehr sie Esther und Hermann schätzte, sehnte sie sich doch nach ihrem eigenen Heim. Obwohl der Bau von Pastorius’ Haus voranschritt, hatte er noch immer nicht bei ihren Brüdern vorgesprochen.
»Es gibt Neuigkeiten aus Philadelphia«, sagte Hermann ernst. »Dort ist ein Fieber ausgebrochen, viele Leute sind erkrankt.«
Margaretha runzelte die Stirn. »Ist es eine schwere Krankheit?«
»Das weiß ich nicht. Schon letztes Jahr im Sommer waren einige betroffen, doch in diesem Jahr soll es schlimmer sein.« Er trank einen Schluck Dünnbier. »Zu Anfang war ich enttäuscht, dass wir kein Land direkt am Fluss bekommen haben, doch nun scheint sich die Lage in den höheren Gebieten als Segen zu erweisen. Am Delaware ist es feuchter, sie werden dort von Mücken und anderem Ungeziefer geplagt. Hier scheint die Luft reiner, das Quellwasser besser zu sein. Immerhin sind wir bisher von schweren Krankheiten verschont worden.«
»Amen«, sagte Esther leise.
»Franz Daniel ist in Philadelphia«, stellte Margaretha besorgt fest. »Vielleicht brauchen sie dort Hilfe bei der Pflege der Kranken.«
Hermann sah sie nachdenklich an. »Ich wollte hinunter in den Ort gehen, ein Schiff ist angekommen und hat Briefe für uns dabei. Außerdem brauchen wir neues Pulver und Munition.«
»Meinst du wirklich, es wäre so klug, nach Philadelphia zu gehen, wenn dort eine Krankheit herrscht?«, fragte Esther.
»Wenn ich mich gleich aufmache, bin ich in zwei Stunden da und kann am Nachmittag schon zurück sein. Ich warte auf Nachricht aus Krefeld.«
»Ich begleite dich.« Margaretha stand auf und suchte Kräuter und Heilpflanzen zusammen. »Fieber hast du gesagt? Ich habe schon einige frische Früchte der Berberitze gesammelt, und auch ihre Wurzeln habe ich ausgegraben und getrocknet«, murmelte sie. »Weidenrinde und Esche habe ich auch zur Genüge. Das hilft gegen Fieber.«
»Mir wurde gesagt, dass das Fieber manchmal mit Erbrechen und Übelkeit einhergeht.« Hermann runzelte die Stirn. »Genaueres weiß ich nicht.«
»Erbrechen? Dagegen hilft ein Aufguss aus Apfelschale.«Sie legte einige Äpfel in ihren Korb zu den Heilkräutern, nahm noch einige andere Säckchen und Krüge mit. Sie hatte ihre Vorräte gut aufgefüllt, achtete darauf, dass kein Mangel herrschte. Immer wieder dachte sie an die Vorratskammer ihrer Mutter zurück, ging in Gedanken die Pflanzen durch, die ihre Mutter gesammelt und verarbeitet hatte.
Schließlich machten sie sich auf den Weg.
»Und,
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