Die Heilerin
hättet sie gerne hier?«, bohrte Margaretha weiter.
»Ich freue mich über jeden neuen Siedler, über jeden, der diesen Staat bereichert.«
Margaretha zog die Augenbrauen hoch. Sie ärgerte sich über seine Antwort. Immer und bei allem blieb Pastorius anscheinend unverbindlich und diffus.
»Und vielleicht ist bei den neuen Siedlern dann ja auch jemand dabei, den Ihr freien könnt«, murmelte sie.
»Bitte?« Wieder blieb Pastorius stehen, doch Margaretha schüttelte nur den Kopf und stapfte weiter. Inzwischen war die Siedlung schon zu hören. Das Sägewerk der Mühle knarzte, das Viehzeug muhte, schnatterte und blökte, Kinder riefen und lachten. Es wurde gehämmert, gesägt, gerufen. Auch die Luft hatte sich verändert. Hier oben war sie nicht mehr so stickig. Der Wald duftete, es roch nach Holzfeuern. Der üble Gestank der Sümpfe kam nicht bis hierher.
»Margret, bitte, wartet.« Pastorius schnaufte.
Margaretha fühlte sich immer schwächer, obschon die Luft besser und es nicht mehr so stickig war. Sie hatte nur weniggegessen am Morgen und freute sich auf ein Stück frisches Brot ihrer Schwägerin, ein wenig Suppe oder Brei, vielleicht auch ein Ei. Dann würde es ihr besser gehen, dachte sie, aber schon bei dem Gedanke daran wurde ihr übel.
»Margret, kann es sein, dass Eure Brüder nicht mit Euch gesprochen haben?«
»Gesprochen?« Margaretha schluckte den Speichel, der sich unangenehm in ihren Mund sammelte, hinunter. »Doch, meine Brüder sprechen mit mir. Wir reden viel miteinander.«
»Ich meine …« Verlegen schaute er zu Boden. »… über mich …«
»Auch das haben sie getan.« Sie schnaubte leicht, schwankte. Ihr war übel.
»Sie haben mit Euch gesprochen, Margret? Haben Euch das gesagt, was sie auch mir gesagt haben?«
Margaretha wandte sich um, ging den Pfad weiter entlang. Stoisch setzte sie einen Fuß vor den anderen. Ich muss nach Hause, dachte sie, in Hermanns Haus, in seine Küche. Ich brauche einen Kanten Brot, einen Becher frischen Quellwassers.
»Margret, Ihr könnt doch jetzt nicht gehen, nicht so, nicht ohne dass wir uns ausgesprochen haben.« Verzweiflung lag in Pastorius’ Stimme. »Margret!«
Langsam, mühevoll, drehte sie sich um. Alles verwischte und verschwamm um sie herum. »Was willst du?«, fragte sie erbost. »Mich willst du doch wohl nicht.«
»Margret? Doch, ja … doch.« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Du weißt es nicht, scheinst es wirklich nicht zu wissen?«
»Was?«
»Ich habe schon vor Monaten, schon im Frühjahr, bei deinen Brüdern um deine Hand angehalten. Bei Hermann und Abraham. Beide haben abgelehnt. Sie sagten, du würdest mich nicht wollen.«
»Was?« Margaretha nahm seine Worte in sich auf, kaute sie zwischen ihren Zähnen. »Ich soll dich nicht wollen? Onzin!Alles, was ich wollte …« Dann wurde es schwarz um sie. Sie sank in die Knie, alles schien Reigen zu tanzen und drehte sich. Plötzlich war ihr kalt.
»Margret!«, war das Letzte, was sie hörte.
Kapitel 34
Die Welt um sie herum war seltsam weich und wie in Nebel gepackt. Jemand trug sie, dachte sie, und dann schien sie doch zu schweben, war leicht wie eine Feder, und plötzlich lag ein Gewicht wie ein Stein auf ihrer Brust und nahm ihr die Luft. Sie hörte Stimmen, konnte aber nicht erkennen, was diese sagten, meinte, Hände auf ihrem Körper zu spüren. Sie wurde ausgezogen, gewaschen, jemand hielt ihr einen Becher an die Lippen, doch sie war zu schwach, um zu schlucken. Und dann war wieder alles dunkel und warm. Jonkie war an ihrer Seite, und ihre Mutter tupfte ihr die Stirn ab. Eva spielte mit Jonkie, jauchzte vergnügt auf, als der Hund ihr über das Gesicht leckte. Margaretha lachte leise. Doch Eva war schon lange tot, oder nicht? Und Jonkie auch.
Margaretha schreckte hoch. Sie war schweißgebadet und fror zugleich.
»Liebchen, beruhige dich. Es war nur ein Traum.« Esther saß neben ihr und wischte ihr die Stirn ab.
»Ein Traum?«
»Ja, trink dies.« Die Schwägerin hielt ihr einen Becher an die Lippen. Gierig trank Margaretha. Der Trank war bitter, aber er erfrischte sie.
»Mehr«, bat sie.
Wieder reichte Esther ihr den Becher. »Langsam, Liefje, langsam.«
Margaretha schluckte mühsam. Ein Fieber schien sie gepackt zu haben. Das Gelbfieber, dachte sie und tauchte wiederab. Sie war auf der »Concord«, die durch die Wellen pflügte, die Segel voller Wind. Isaak stand rechts neben ihr und lächelte. »Das ist unsere Zukunft, Dochterje. Wir fahren in unser Wohl.«
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