Die heimliche Braut
sich mit dem restlichen Gesinde am Eingang drängten.
Allmählich füllten weitere Bewaffnete und Diener den Rittersaal, so dass man den Eindruck gewinnen konnte, als habe sich jeder, der nicht gerade mit einer besonderen Aufgabe betraut war, dort eingefunden.
Riona sah ihren Onkel nicht an, sondern blickte zu Nicholas hinüber, als wolle sie diesen ganz ohne Worte zwingen, ihrem Blicke zu begegnen und damit zu erkennen, dass sie gewappnet war für alles, was nun kommen würde.
Und tatsächlich, er schaute sie an, und Riona begriff: Er war zum Äußersten entschlossen. Plötzlich wusste sie, was er vorhatte, was er tun musste. Ungeachtet der wütenden Proteste ihres Onkels und der Heimtücke einer Lady Joscelind, trotz der Gefühle, welche er für sie, für Riona, hegte, würde er jetzt ankündigen, dass Eleanor seine Gattin werden solle.
“Verehrte Lords und Ladys”, begann er, ohne auf Onkel Fergus zu achten, der von den Wachen mit Gewalt zurückgehalten werden musste, “die Umstände zwingen mich, die Wahl meiner Braut schon heute zu verkünden und nicht wie geplant zum Erntefest.”
Riona krampfte die schweißfeuchten Hände zusammen, holte tief Luft und wappnete sich für den nahenden Schlag.
“Zu meiner Gemahlin erwähle ich …”
Oh Gott, gib mir Kraft!
Nicholas’ Blick schnellte zu ihr herüber gleich einem Pfeil von Cupidos Bogen. “… Lady Riona!”
Schlagartig ging ein tosendes Durcheinander von Stimmen los.
“Das will ich dir auch geraten haben!”, brüllte Onkel Fergus, während Lord Chesleigh und Percival sich gegenseitig mit Protestgeschrei zu überbieten suchten. Soldaten und Diener brachen derweil in lautes Beifallklatschen und in Hochrufe aus.
Eleanor sank auf die Knie. “Gott sei Dank!”, schluchzte sie, trotz ihrer Tränen lächelnd. “Oh, Dank sei Gott!”
Während ihre vor Freude überwältigte Zofe dem Mädchen unversehens zu Hilfe eilte, hüpfte Lady Marianne auf und ab und warf ihrem Manne die Arme um den Hals, derweil Roban begeistert mit den Füßen stampfte und dem Clan der Mac Gordons lauthals seine Glückwünsche mitteilte.
Von alledem sah und hörte Riona nichts. Das Einzige, was sie wahrnahm, war, dass Nicholas vom Podest herunterstieg und geradewegs auf sie zukam, die Augen leuchtend vor Liebe und Hingabe, ein strahlendes Lächeln auf seinem ebenmäßigen Gesicht. Doch einerlei, wie ihr das Herz auch im Leibe hüpfte, wie aufgewühlt sie auch sein mochte – dies alles konnte einfach nicht wahr sein. Er würde doch alles verlieren, wenn er sie heiratete! Alles, wofür er sich abgemüht, wofür er gelitten hatte.
Und Onkel Fergus musste womöglich sterben, wie Chesleigh ihr angedroht hatte.
Als Nicholas vor sie hintrat, da glitt sein Blick forschend über ihr Antlitz und drang tief in ihre Seele. “Riona, willst du meine Frau werden?”, fragte er mit warmer und zärtlicher Stimme.
Sie hatte Angst, Ja zu sagen, fürchtete sie doch, ein Ja könne sich rasch in einen Albtraum verwandeln. “Du könntest Dunkeathe verlieren, wenn du mich heiratest!”
Er nahm ihre Hände in die seinen. “Eher lasse ich meine Burg und all meinen Besitz fahren als dich.”
“Und wenn du mich irgendwann hasst …”
“Niemals!”, entgegnete er mit energischer, fester Stimme und entschlossenem Blick. “Nie könnte ich dich hassen, Riona. Selbst wenn du mir das Herze brächest, könnte ich es nicht.” Er beugte das Knie. “Wenn du mich zum Mann nimmst, gewinne ich viel mehr als Dunkeathe. Ich gewinne solche Freude, wie ich sie niemals kannte, und in deinen Armen werde ich alles Glück finden, wonach ich jemals gestrebt. Ich bitte dich, Riona: Tu mir die Ehre und sage Ja!”
Wie hätte sie da Nein sagen können? Es ging allemal nicht, doch ein Ja wollte ihr ebenfalls nicht über die Lippen, denn ihre Augen füllten sich mit Freudentränen, und ein Schluchzen ließ sie fast ersticken.
Er brauchte das Wort auch nicht, sondern stand auf, riss Riona stürmisch in seine Arme und küsste sie – innig, leidenschaftlich, brennend. Ungeachtet aller Umstehenden, als wären sie beide allein.
Eng an ihn geschmiegt, erwiderte sie seinen Kuss. Was immer auch geschehen mochte, welchen Herausforderungen sie sich in Zukunft auch stellen mussten – sie wusste, sie würden beisammen sein, denn Nicholas liebte sie mehr als all seine Belohnungen.
Endlich, endlich überließ sie sich jener Glückseligkeit, die sie so lange in Schach zu halten versucht hatte. Endlich ergab sie sich jener
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