Die heimliche Braut
welches er schon verursacht hatte und welches noch folgen würde.
“Wir sollten nun alle dieses Gemach verlassen, damit Lady Joscelind sich ankleiden kann”, sagte er, wobei er zu seinem Schwertgurt griff und sich zur Tür begab. “Wir treffen uns unten im Rittersaal, wo wir diese Angelegenheit ein für alle Mal aus der Welt schaffen werden. Noch heute, jetzt und in dieser Stunde, werde ich verkünden, wer meine Braut wird.”
Auf das heftige Klopfen hin hastete Riona zur Kammertür und machte auf. Vor der Schwelle stand ihr Onkel – besser gesagt, er stand nicht, sondern hüpfte von einem Bein auf das andere, als wandele er über glühende Kohlen.
“Wo brennt es denn?”, wollte sie wissen, voller Furcht, es könne schon wieder Ärger mit Fredella geben.
“Ja, hast du denn nicht den Lärm aus Sir Nicholas’ Gemach vernommen?”
“Ich schlief!” Immerhin war sie nach der vorigen Nacht völlig erschöpft gewesen. Plötzlich aber stockte ihr doch der Atem. “Ist er verletzt?”, rief sie, bemüht, sich an ihrem Onkel vorbeizudrängen.
Er versperrte ihr den Weg. “Nein, verletzt ist er nicht. Er wird heute Morgen seine Wahl bekannt geben!”
Wie vom Donner gerührt, sah Riona ihren Onkel an. “Jetzt?” Sie wich zurück, derweil Fergus die Kammer betrat und die Tür hinter sich schloss. Als er sich zu ihr umwandte, machte er ein so ernstes Gesicht, wie sie es selten von ihm gewohnt war.
“Meine Schöne”, sagte er kummervoll, “es ist etwas geschehen … etwas, das ich von einem Ehrenmann nicht erwartet hatte. Es hat den Anschein, als habe er nicht bis zum Erntefest gewartet, um mit der Frau seiner Wahl das Bett zu teilen.”
Dich kann er nicht meinen! Sonst würde er nicht so reden!
Offenbar hatte Percival die Geduld verloren und von Nicholas verlangt, Eleanor noch vor dem Erntefest zu heiraten. Möglicherweise hatte er es zudem noch aller Welt verkündet!
Onkel Fergus massierte sich das Kinn. “Potztausend! Ich hätte es selber nicht geglaubt – aber ich sah sie ja mit eigenen Augen, in seinem Schlafgemach. In ein Laken gehüllt!”
“Eleanor? In seinem Bett?”, flüsterte sie entgeistert. War Eleanor etwa gar nicht so naiv, wie sie tat? Aber … was hatte Nicholas sich dabei gedacht? Wie konnte er …? Nach allem, was sie beide …
“Eleanor?”, echote ihr Onkel fassungslos. “Die doch nicht! Wie kommst du denn auf das liebe Kind? Nein, diese Joscelind war’s!”
Joscelind?
Mit einem Male ging Riona ein Licht auf. Nicholas war zweifellos unschuldig, das begriff sie auf der Stelle. Das Ganze war ein Ränkespiel, eine Intrige ähnlich der von Percival, um Nicholas in eine Eheschließung zu zwingen.
Neue Kraft durchflutete ihren Körper, gepaart mit Entschlossenheit und Liebe. “Onkel, er hat sie nicht verführt, dessen bin ich gewiss. Bestimmt ist sie ohne sein Wissen und Zutun in seine Kammer geschlüpft. Eine Tücke, mit der sie ihn zwingen will, sie zu heiraten. Wahrscheinlich schlief er bereits, als sie sich zu ihm legte, die Schlange! Damit es so aussehe, als seien sie ein Liebespaar.”
In Onkel Fergus’ Blick lag weder Erleichterung noch Unglaube. Vielmehr betrachtete er sie mit forschendem, eindringlichem Ernst. “Wie kommst du darauf, Riona? Woher bist du dir so sicher, dass Nicholas nicht das Bett mit einer willigen, schönen Frau teilen würde – egal, ob verheiratet oder nicht?”
Ihren geliebten, treuen Onkel so ernst zu sehen erfüllte Riona doch allmählich mit Scham. Sie hatte ihn hintergangen. Auf einmal wurde ihr mit schmerzhafter Schärfe bewusst, wie sehr sie den Mann, welcher sie wie ein Vater liebte, enttäuschen würde, sobald er die Wahrheit erfuhr. Doch es war an der Zeit, offen und ehrlich mit ihm umzugehen – Nicholas zuliebe und um Eleanors willen.
Sie setzte sich auf die Bettkante und klopfte auf den Platz neben sich, worauf ihr Onkel sich mit verwirrter und sorgenvoller Miene neben ihr niederließ. Sie nahm seine Hand und schaute ihm in die forschenden Augen. Wenn sie bei Nicholas war, fiel es ihr leicht, kein Bedauern zu kennen. Solange ihre Liebe noch ein Geheimnis war, war es auch einfach zu glauben, es würde immer so währen. Das aber konnte nicht sein.
“Onkel, ich weiß, dass sie nicht seine Geliebte ist. Das bin nämlich ich.”
“Du?”, japste er bestürzt. “Du? Seine Geliebte?”
Riona nickte. “Aye.”
“Dann … dann nimmt er also
dich
zur Frau? Ist es das, was er gleich in der Großen Halle verkünden will?”
Es
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