Die heimliche Braut
zerriss ihr zwar das Herz, doch es musste heraus. “Nein. Er wird Eleanor heiraten.”
Schon rechnete sie damit, dass er sie voller Ekel und Scham anblicken würde, voller Abscheu. Mit der Zeit, so ihre Hoffnung, würden diese Empfindungen vergehen. Dann würde er wieder so gütig sein wie zuvor – auch wenn seine hohe Meinung von ihr auf ewig dahin sein würde.
Stattdessen aber flammte in Fergus’ Augen ein Zorn auf, wie sie ihn nie zuvor erlebt hatte. “Eleanor? Er teilt das Bett mit dir, aber ehelichen will er eine andere?”
Sie hielt seine Hand noch fester, damit er ihr zuhörte und zumindest etwas Verständnis für sie aufbrachte. “Er muss sie heiraten! Er braucht ihre Mitgift und den Einfluss ihres Cousins. Anderenfalls wird er die Burg verlieren. Eleanor ihrerseits braucht Nicholas, um von Percival loszukommen. Das alles wusste ich, bevor ich zu ihm ins Bette kroch, Onkel. Ich habe nie erwartet, dass er seine Absicht ändert. Und das tue ich auch jetzt nicht.”
“Aber ich!”, schrie Onkel Fergus, wobei er abrupt aufsprang. “Dieser elende Lump! Nicht einmal Ehe per
Handfasting
hat er dir angeboten, was? Heirat per Handschlag. Das könnte ich ja noch nachvollziehen! Dann würde die Ehe das vorgeschriebene Jahr und den einen Tag dauern. In dieser Frist hätte er Zeit, sich alles genau zu überlegen, und dürfte getrost mit dir das Bett teilen. Aber so etwas? Glauben diese Normannen etwa, sie könnten sich unserer Frauen nach Gutdünken bedienen?”
“Onkel, so war’s nicht!”, beteuerte sie, bemüht, ihn festzuhalten, damit er nicht Hals über Kopf aus der Kammer stürzte. “Ich habe mich ihm …!”
“Doch!”, brüllte er. “Er hat sich deiner bedient. Und dir deine Ehre genommen. Und außerdem mir meine Tracht. Dem werde ich zeigen, wie wir mit solchen Halunken verfahren!” Mit diesen Worten wandte er sich zur Tür.
Die Röcke gerafft, eilte Riona hinter ihm drein. Sie flehte zu Gott, er möge ihr helfen, den Onkel aufzuhalten, bevor es zu Blutvergießen käme.
“Lasst mich durch, ihr verfluchten Normannenbastarde!”, brüllte Onkel Fergus auf Gälisch, während er sich seinen Weg durch die im Burgsaal versammelte Menge bahnte, direkt auf Nicholas zu, der auf dem Podest der Rittertafel stand. Die Beine leicht gegrätscht, die Arme über der Brust verschränkt, wirkte er Zoll für Zoll wie der Herr der Burg. Riona aber, die ihrem Onkel auf den Fersen folgte, sah in ihm nicht mehr den zärtlich neckenden Liebhaber der vergangenen, in trauter Zweisamkeit verbrachten Nächte, sondern den finsteren, unnachgiebigen Lehnsherrn. Der Liebhaber war für immer dahin; was in den kommenden Augenblicken auch geschehen mochte – die gemeinsame Zeit war vorbei.
“Zieh blank, du normannischer Hund!”, donnerte Fergus, von mehreren Burgsoldaten umringt. “Was denn – bist du etwa nicht nur ein Lügenbold, sondern ein Hasenfuß obendrein?”
Nicholas antwortete ihm auf Gälisch. “Wann soll ich Euch denn belogen haben?”
“Ihr habt gesagt, Ihr würdet Riona heiraten!”
“Ich sagte nichts dergleichen.”
“Und ob! Ihr habt doch meine Tracht angenommen!”
“Ihr ließet mir ja nicht die Gelegenheit, Euer Geschenk abzulehnen. Man wird es Euch zurückgeben, sofern Ihr darauf besteht.”
“Und ob ich darauf bestehe, du elender normannischer Lump! Der du nicht würdig bist, auf schottischem Boden zu stehen.”
Inzwischen hatte Riona sich atemlos keuchend nach vorn durchgekämpft, hin zu den anderen: zu Eleanor, blass und verängstigt, zu Percival, der bei Rionas Anblick förmlich zurückschreckte, zu Joscelind, zwar angekleidet, doch noch mit wirrem, kaum durchkämmtem Haar, als wolle sie aller Welt mit ganzer Entschlossenheit demonstrieren, dass sie die ganze Nacht über alles Mögliche getrieben, nur nicht geruht hatte, und schließlich Lord Chesleigh, fuchsteufelswild und empört, die Arme in die Hüften gestemmt. Unweit des Grüppchens, doch etwas seitlich abgesetzt, stand, an Roberts Arm geklammert, Priscilla, endlich einmal ohne zu kichern. Ihr Bruder flüsterte mit Lavinia, die ihrerseits wieder mit D’Anglevoix tuschelte, und dieser wiederum starrte Nicholas an, als sei er sich noch nicht schlüssig, ob er den Burgherrn bewundern oder verachten solle. Lady Marianne, ihr Gemahl und dessen Freund Roban, die eigentlich längst hätten abgereist sein sollen, standen neben dem Podest und schauten dem Ganzen ungerührt zu. Außerdem war Riona noch Fredella und Polly begegnet, die
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