Die heimliche Braut
Vielleicht hätte ich einige der jungen Burschen, die uns besuchen kamen, als du noch jünger warst, etwas ermuntern sollen. Nur befand sich nach meiner Ansicht leider keiner unter ihnen, der gut genug für dich gewesen wäre. Aber du solltest dein eigenes Heim besitzen, einen liebenden Gemahl und Kinder, welche dich ehren.”
Sie wollte schon protestieren, doch Onkel Fergus schnitt ihr das Wort ab. “Es gibt nicht viele, die nach meiner Einschätzung für dich infrage kämen. Dieser aber gehört dazu. Er ist kein verweichlichter Edelmann, der sein Lebtag noch nicht mal ‘nen harten Tagesritt geleistet hat. Seinen Besitz hat er sich erarbeitet, und dein Liebreiz und deine Klugheit werden schon dafür sorgen, dass zwischen euch alles reibungslos verläuft. Was nun die Mitgift angeht oder vielmehr das Nichtvorhandensein einer solchen – es ist die Liebe, die zählt, nicht das Geld. Ist er dir erst einmal begegnet, wird er sich zweifellos in dich verlieben. Wir sind zwar arm, aber unser Familienname ist ein alter und geachteter. Was kann’s schon schaden, Sir Nicholas kennen zu lernen? Falls er dir nicht gefällt, kehren wir sofort nach Hause zurück!”
Onkel Fergus sprach dermaßen herzlich und sah sie dabei so liebevoll an, dass Riona sich beinahe gefühllos vorkam, weil sie nicht auf der Stelle dem Vorschlag zugestimmt hatte, diesen Sir Nicholas of Dunkeathe zu ehelichen.
Fergus warf seinem Sohn einen Seitenblick zu. “Solange wir uns auf Dunkeathe aufhalten, führst du in Glencleith das Kommando, Kenneth! Wird Zeit, dass du ein wenig Übung darin bekommst!”
Kenneth’ Gesicht hellte sich auf vor freudiger Erregung. Riona begriff, dass für ihren Cousin sämtliche Einwände hinfällig geworden waren, denn es bestand die Aussicht, mit Aigneas zusammen zu sein, sowie die Gelegenheit, seine Führungskraft unter Beweis stellen zu können. Man konnte es ihm nicht verdenken. Er war jung und versessen darauf, seinen Weg zu finden, und das Ganze verschaffte ihm wahrhaftig eine gute Chance zum Üben. Was Aigneas betraf, so war Riona sich nicht sicher, wie tief Kenneth’ Gefühle für das Mädchen gingen und umgekehrt. Doch nun bot sich den beiden eine Gelegenheit, sich über ihre Zuneigung klar zu werden.
Mit gerunzelter Stirn musterte Fergus seinen Sohn. “Aigneas wird aber bei ihrem Vater übernachten und lediglich tagsüber zur Halle kommen!”, erklärte er warnend.
Verlegen wich der junge Mann dem Blick seines Vaters aus. “Das habe ich nicht anders erwartet”, brummte er.
“Gut. Und du wirst sie auch nicht mit allerlei Süßholzraspeln dazu bewegen, dir mehr Salz fürs Abendbrot zu geben! So wie du mit dem Zeug herumstreust, könnte man glatt meinen, wir wären reich wie der König.”
Während Kenneth’ Miene sich verdüsterte, sann Riona über etwas anderes nach. Falls sie sich tatsächlich mit Onkel Fergus nach Dunkeathe begab, würde das bedeuten, dass sie sieben Tage lang von Glencleith fernbleiben würden und somit auch nicht ihre eigenen Lebensmittelvorräte würden verzehren müssen. Ihr Onkel würde kein übertrieben großherziger Gastgeber sein, sondern sich bewirten lassen!
“Nun gut, Onkel”, lenkte sie ein. “Du hast mich überredet. Zumindest sollte ich hinreisen und mir dieses Prachtexemplar von einem Normannen einmal ansehen.”
Strahlend schloss Fergus sie in die Arme. “So ist’s brav, meine Schöne! Und wenn er dich nicht nimmt, dann ist er ein Narr und deiner ohnehin nicht würdig!”
Davon war Riona keineswegs überzeugt. Außerdem war ihr die Vorstellung peinlich, sich mit anderen weiblichen Wesen vergleichen zu müssen und zweifellos als nicht geeignet befunden zu werden. Falls jedoch ihr Gang nach Dunkeathe Cousin und Onkel glücklich machte und sie dadurch etwas Geld einsparen konnten, dann würde sie einige Unannehmlichkeiten gern in Kauf nehmen.
“Na, Riona? Was habe ich dir gesagt?”, rief Onkel Fergus aus, als der Pferdekarren einige Tage später den Kamm des Hügels erklomm. Vor ihnen lag ein Flusstal, und ostwärts des Flusses erhob sich Dunkeathe Castle, ein wuchtiges Glanzstück des Maurer- und Steinmetzenhandwerks, welches einen jeden, der seiner ansichtig wurde, beeindrucken musste.
Um die Burg herum formten weitere, wenn auch viel kleinere Gebäude ein ansehnliches Dorf. Zu beiden Seiten der dorthin führenden Straße lagen Gehöfte, umgeben von Feldern mit Gerste und Hafer sowie von Weiden, auf denen Kühe und Schafe grasten. Die Hügel rings um das
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