Die heimliche Gemahlin
ausgerechnet den einzigen Menschen in London wiedertreffen musste, der Rosalinds hübsches Lügengebilde mühelos zum Einsturz bringen konnte! Und nach allem, was Daniel ihr über den Duke erzählt hatte, war er auch noch ein lüsterner Wüstling, dem man nicht trauen durfte. Aber um ihrer Schwestern willen würde sie alles tun, um seinen Verdacht zu zerstreuen.
Daher gestattete sie ihm, ihre Hand auf seinen Arm zu legen, und sagte lediglich: „Sicher, Euer Gnaden, es wäre mir eine Ehre.“
Dankenswerterweise hatte Griffiths Butler Daniel mitgeteilt, wo sich die Knightons und Helena gerade aufhielten. Doch als Daniel das Haus der Rushtons erreichte, strömten die Gäste aus dem Ballsaal ins Foyer. Verdammt, das hatte ihm gerade noch gefehlt! Wie sollte es ihm jetzt nur gelingen, Helena in den Garten zu entführen und sie zu küssen, bis ihr die Sinne schwanden?
Wahrscheinlich wäre es klüger gewesen, nicht hierher zu kommen. Ein echter Gentleman hätte zweifellos bis zum Morgen gewartet, um ihr dann zur gesellschaftlich üblichen Zeit einen Besuch abzustatten - jedenfalls hätte er sich keinesfalls in rasender Geschwindigkeit umgezogen und wäre dann wie ein verliebter Schuljunge hergeeilt.
Doch schließlich war er kein echter Gentleman - und die Umgebung, in der er sich gerade befand, führte ihm dies nur allzu deutlich vor Augen. Trotz seiner eleganten Kleidung fühlte er sich deutlich fehl am Platze. Bei seinen Geschäften hatte ihn das noch nie gestört, aber hier ...
Er seufzte. Am besten fing er gleich damit an, sich an diese Welt zu gewöhnen. Wenn er erst einmal mit Helena verheiratet war, würde er viel Zeit in der feinen Gesellschaft verbringen müssen. Vorausgesetzt, Helena wollte überhaupt noch seine Frau werden!
Nach der letzten entsetzlichen Woche mit seinem Onkel hatte er eins begriffen: Er wollte Helena zur Gemahlin, koste es, was es wolle. Er liebte ihre Stärke und ihren Mut, ja, sogar ihre Sturheit! Und selbst wenn er für den Rest seines Lebens jede Nacht auf einem Ball erscheinen müsste, er war gern bereit, diesen Preis zu bezahlen - schließlich bekam er dafür Helena zur Frau.
Obwohl er sich nicht einmal mehr sicher war, ob sie ihn noch wollte. Nachdem sie wieder einige Zeit in ihrer vertrauten Umgebung verbracht hatte, konnte sie vielleicht doch auf einen ungehobelten Kerl wie ihn verzichten. Jetzt, da sie wieder unter ihresgleichen weilte, wurden ihr möglicherweise die Nachteile einer solchen kaum standesgemäßen Verbindung bewusst. Schließlich besaß er keinen Titel, kein Vermögen, und er entstammte auch keiner einflussreichen Familie.
Seit Tagen lastete diese Angst auf ihm und drohte ihn förmlich zu ersticken. Er seufzte. Je eher er herausfand, woran er war, desto besser. Also nahm er entschlossen die Schultern zurück und begann seine Suche. Doch leider fand er zunächst nur Rosalind.
Als sie ihn erblickte, lächelte sie amüsiert. „Daniel! Du bist zurück!“
„Ja, ich bin gerade erst angekommen.“ Eilig küsste er die dargebotene Wange und schaute sich voller Ungeduld um. „Wo steckt Helena?“
Rosalind lachte. „Daniel Brennan, du solltest dich wirklich schämen. Hast du denn noch nicht einmal Zeit für ein Gespräch mit mir?“
„Verzeih mir“, bat er gequält. „Aber ich muss sie unbedingt sehen.“
„Das hätte ich jetzt gar nicht vermutet. Übrigens hat sie dich schon vor Tagen erwartet. “
„Stimmt. Aber ich musste noch einige Angelegenheiten erledigen, die sich als recht schwierig erwiesen.“ Crouch hatte nämlich alles unternommen, um seine Abreise immer weiter hinauszuzögern. Insbesondere war ihm sehr daran gelegen gewesen, sämtlichen alten Schuldnern einen Besuch abzustatten. Nach einer Weile hatte ihm Daniel Gefahr für Leib und Leben angedroht und ihn endlich auf einen Kutter Richtung Frankreich gebracht. „Wie geht es ihr denn? Juliet habe ich vorhin in eurem Stadthaus getroffen. Sie schien sich wohl zu fühlen, erzählte mir aber kaum etwas über Helena.“
„Oh, keine Sorge. Wir haben während der letzten Tage an zahllosen Gesellschaften teilgenommen, um keinerlei Zweifel an ihrem untadeligen Ruf aufkommen zu lassen, den du so unüberlegt gefährdet hast, als du sie ohne Anstandsdame mit nach Hastings nahmst.“ Die Zurechtweisung war deutlich. „Sie ist auf jedem Ball eine der umworbensten Schönheiten.“ Rosalind verstummte kurz und zog eine Braue hoch. „Die Männer reißen sich geradezu um sie. Ich war vollauf damit
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