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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dalma Heyn
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ihre Leidenschaft freigesprochen werden.
    Wird sie nicht geopfert, können wir dann immer noch fühlen, was sie fühlt? Oder ist es nur ihr Leiden, das es uns gestattet, einer Frau zu verzeihen, die außerhalb der Ehe sexuell aktiv ist, nur Machtlosigkeit, die ihr Unschuld verleiht, nur Bestrafung, die ihre Tugend wiederherstellt, und nur Tugend, die ihr das Leben rettet? Dürfen die leidenschaftlichen, starken, sexuell aktiven Heldinnen wie Hester und Tess, die die gesellschaftlich gezogenen Grenzen übertreten, ebensoviel Macht haben, über ihr Schicksal zu entscheiden, wie die Gesellschaft, in der sie leben?
    Was passiert, wenn wir all unsere Annahmen einmal außer Kraft setzen, wenn wir nicht voreilig über die Moral der Frau urteilen, an ihrem Charakter zweifeln, keine Befürchtungen hinsichtlich ihres Gefühlszustandes hegen? Was ist, wenn unsere Anteilnahme und Sympathie auf ihrer Seite bleiben und sich nicht automatisch, reflexartig auf ihren Mann und die Kinder verlagern? Was, wenn wir unsere Annahmen über Frauen und Liebe, über Ehe und Monogamie in Frage stellen, all diese alten Schablonen und Schlüsse umkrempeln und selbst aus dem eisernen Gehäuse heraustreten? Und wenn unsere Ehebrecherin alles andere als bedauernswert ist: Können wir sie dann immer noch lieben oder sie zumindest anhören?
    Was wäre, wenn sie Ihre beste Freundin oder Ihre Schwester wäre? Würden Sie sie dann immer noch für total verworfen halten? Würden Sie sie dann immer noch bestraft sehen wollen?

Das »Rätsel der Weiblichkeit«

    Während ich für dieses Buch recherchierte, begann ich, an meiner eigenen Fähigkeit, zuzuhören, zu zweifeln. Es gab so wenige weibliche Stimmen, die über die erotischen Bedürfnisse und Gefühle von Mädchen und Frauen sprachen, die ihr Verlangen nach Lust, ihre Freude an ihrer eigenen Sexualität artikulierten. All dies ist eine weitgehend ungeschriebene Geschichte. Was wissen wir denn über die Sexualität von Mädchen in der Adoleszenz? Daß das der Zeitpunkt ist, in dem sie zum Objekt männlicher Leidenschaft und Verehrung werden, ein Faktum, das Männer von D. H. Lawrence bis Philip Roth in Entwicklungsromanen immer wieder geschildert haben. Wie unser Auge die erotische Anziehung eines jungen Mädchens automatisch durch den geblendeten männlichen Blick wahrnimmt, so ist auch unser Ohr auf die Stimme von Männern eingestellt, die die Sexualität von Mädchen beschreiben — als Begehrte, nicht als Begehrende; als sexuelle Objekte, nicht als Subjekte. Wir wissen, wie sie aussehen und wie sie sich anfühlen, wie sie schmecken und wie sie riechen — aber nur aus der Perspektive männlicher Sehnsucht.
    Wie kommt es, daß die eigenen sexuellen Empfindungen eines Mädchens keinen Eingang in die Vorstellungskraft unserer Kultur gefunden haben? Wo wird in der »seriösen« amerikanischen Literatur das sexuelle Erwachen einer Frau aus ihrer Perspektive beschrieben? Wo spricht dieses vitale junge Mädchen über ihr eigenes sexuelles Begehren — und nicht über das, was sie begehrenswert macht? Wo spricht sie darüber, was sie selbst als erotisch empfindet, und nicht über das, wovon sie hofft, es werde auf andere erotisierend wirken? Wo erzählt Dornröschen von ihrem eigenen Erwachen? Wo schildert uns Lolita ihre eigene Reaktion auf Humbert Humbert? Wo erzählt Marilyn Monroe ihre eigene sexuelle Geschichte? Wie kommt es, daß wir uns über ihre Stummheit nie Gedanken machten, ihre »sexy« Stimme nicht mit ihrer Kleinmädchenhaftigkeit in Zusammenhang brachten, daß uns ihr hingehauchtes Flüstern nicht auf die Idee brachte, daß sie Geheimnisse zurückhielt und gleichzeitig so schwach war, daß man sie kaum hören konnte?
    Während der Begriff »männliche Sexualität« starke Bilder für das männliche Begehren heraufbeschwört, lassen die Worte »weibliche Sexualität« nur Vorstellungen von Gebärmutter und Vagina vor das geistige Auge treten, plastische Illustrationen des Fortpflanzungsapparats der Frau, wie er in den Lehrbüchern der Gesundheitsabteilung von Bibliotheken und Buchhandlungen abgebildet ist. Wenige weibliche Stimmen erheben sich, um ihre Lust zu beschreiben, um genau zu bestimmen, was gute Gefühle macht und was nicht, um das sexuelle Heranreifen eines Mädchens in Worten zu schildern, von denen sich andere Mädchen angesprochen fühlen.
    Kein Wunder, daß Freud 1933 klagte, »das Rätsel der Weiblichkeit« bleibe ungelöst. Das erotische Leben der Männer sei der Forschung

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