Die heimliche Lust
Lügen vom weiblichen Ehebruch
Addiert man all diese »Fakten« über Sexualität und Motivationen von Frauen, so gelangt man zu folgendem Ergebnis über eine Frau, die außerehelichen Sex hat:
Ihre Ehe ist schlecht.
Sie liebt den Mann, mit dem sie schläft.
Sie möchte ihn gern heiraten; und sie ist von Schuldgefühlen zerrissen.
Sie ist entweder hoffnungslos verliebt oder, noch schlimmer, sie ist gar keine Ein-Mann-Frau. In diesem Fall hat sie Probleme mit Nähe oder ein narzißtisches Bedürfnis nach sexueller Aufmerksamkeit oder einen Wiederholungszwang, der fordert, daß sie unbewußt das ödipale Dreieck wiederherstellt.
Sie will ihren Kuchen behalten und ihn gleichzeitig essen.
Sie ist hysterisch, bindungsphobisch, eine Nymphomanin, eine schlechte Mutter.
Sie haßt Männer.
Sie ist keine anständige Frau.
Ebenso beunruhigend ist die Neigung mancher Frauen, zu glauben, was man ihnen gesagt hat: daß es Männern im Grunde um Sex geht, Frauen dagegen um Beziehungen. Ich stelle dies in Frage. Zunächst ist das nämlich eine semantische Unterscheidung, die Männern und Frauen gesellschaftlich vermittelt wird. Tatsächlich können beide beides wollen. Diese Unterscheidung beinhaltet zudem, daß Sex kein integraler Bestandteil des Vergnügens von Frauen an Beziehungen sei, daß sich eine erwachsene Frau mit einer Intimität begnüge, die nicht auch zutiefst sexuell ist, und daß die in einer Beziehung gefundene Sexualität mit der Zeit zwangsläufig ihren ausgeprägt sexuellen Charakter verliere.
Was wir über die weibliche Sexualität nicht wissen
Obwohl aus neueren Untersuchungen hervorgeht, daß sich die Sexualpraktiken amerikanischer Frauen von dem Bild unterscheiden, das uns aus früheren Studien bekannt war, ist die Wahrheit nicht leicht aufzudecken. Daten über die Häufigkeit von außerehelichem Sex sind schwer zu gewinnen. Kinseys Zahlen sind bis heute nicht ersetzt. Er befragte zwischen 1948 und 1953 12 000 Männer und 6000 Frauen und fand aufgrund seiner Stichprobe heraus, daß 50 Prozent der verheirateten Männer und 26 Prozent der verheirateten Frauen in den USA außereheliche Beziehungen hatten.
So nachdrücklich Vertreterinnen des öffentlichen Gesundheitswesens, WissenschaftlerInnen, Therapeutinnen und SexologInnen für eine neue umfassende Untersuchung des Sexualverhaltens eingetreten sind, so dringend wir neue Informationen zur lebenswichtigen Bekämpfung von Aids und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten, zum sexuellen Mißbrauch von Kindern, zu Vergewaltigung und zur Senkung der Schwangerschaftsraten Halbwüchsiger benötigten — es bestehen ungeheure Widerstände gegen eine solche Erhebung. Tatsächlich wurden im Juli 1989 Mittel der US-Regierung für eine landesweite Untersuchung der Sexualpraktiken in Höhe von 11 Mio. Dollar gestrichen; die New York Times berichtete, konservative religiöse Gruppen seien empört über die Vorstellung, daß Forscher im Auftrag der Regierung Fragen über individuelle Sexualpraktiken stellen wollten. Der Bewilligungsausschuß des Kongresses habe deshalb die Finanzierung verweigert und dem öffentlichen Gesundheitsdienst die Durchführung der Studie untersagt. Im September 1991 blockierten die National Institutes of Health auf den Druck konservativer Politiker hin erneut eine Erhebung über das Sexualverhalten Erwachsener.
Sicherlich ist das Thema sexuell genußfreudiger Frauen — die um des eigenen Vergnügens willen zum Ehebruch bereit sind — so tabuisiert, unser Widerstand dagegen sitzt so tief, die Statistiken darüber sind so unzuverlässig, daß das, was über diese Frauen außerhalb von Romanen, Filmen und Pop-Musik geschrieben wird, uns als fremd und entfremdet entgegentritt. Es wird ebenso leicht abgetan wie diese Frauen selbst. Daß die ganze Nation über Sex schweigt — besonders wenn es um Sex von Frauen geht — , spiegelt unsere Ambivalenz sowohl gegenüber Sexualität als auch gegenüber diesen Frauen wider. All das hat ein erstaunliches Maß an Unwissenheit über Sexualität hervorgebracht. Tatsächlich trägt das erste Kapitel der Untersuchung über die sexuelle Aufgeklärtheit, die in dem 1990 erschienenen The Kinsey Institute New Report on Sex enthalten ist, den Titel: »Amerika fällt im Sexualaufklärungstest durch .«
Bei diesem Test, der »ersten national repräsentativen Erhebung über das Sexualwissen der Bevölkerung«, konnte die Mehrzahl der 1974 statistisch repräsentativ ausgewählten erwachsenen Amerikaner
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