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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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stickigen und feuchten Kerker enden ließ.
    Warum muß Alberico uns so bestrafen? Hätte es nicht gereicht, König Hugo in Fesseln zu legen? Weiß Alberico nicht, daß er mit seiner Tat eine Spirale der Gewalt in Gang setzt, in der einer untergehen muß: seine Mutter oder er?
    Ich verstehe nach all dem Demütigenden, das er während der letzten Tage ertragen mußte, seinen Zorn, ich verstehe auch die Verletzungen, die er seit seiner Kindheit hat erleiden müssen – doch warum geht er so weit, alle Brücken der Verständigung abzubrechen? Niemand weiß besser als ich, daß er um die Liebe seiner Mutter kämpfte, daß er hinter seinem Bruder Giovanni zurückstand, dem Erstgeborenen, der auf Marozias Betreiben hin zum pontifex maximus gewählt wurde, während er auf das Erbe seines Vaters bis heute wartet.
    Eins ist sicher: Wir alle haben ihn unterschätzt. Seinen Willen, seine Kraft und auch die Entschlossenheit seiner Anhänger.
    Marozia öffnete wieder die Augen, als hätte sie nur kurz nachgedacht, und erklärte in die Stille des Kerkers hinein: »Er muß uns freilassen. Hugos Heer liegt vor den Mauern der Stadt und wird sie stürmen, wenn der König nicht bald zurückkehrt. Seine Soldaten werden sich furchtbar rächen, Alberico wird einen grausamen Tod erleiden …«
    »Roms Mauern sind hoch und stark bewehrt«, entgegnete ich.
    Marozia richtete sich auf und starrte mich verärgert an.
    Ohne die Ruhe zu verlieren, ergänzte ich noch: »Vielleicht hat Alberico sogar den König umbringen lassen.«
    Sie sprang abrupt auf und durchschritt unsere Zelle wie eine eingesperrte Löwin. »Selbst wenn Hugos Männer Rom nicht erobern, können sie die Stadt aushungern«, rief sie gegen eine der Wände.
    »Bevor die Stadt ausgehungert ist, lebt keiner mehr von uns.«
    »Das römische Volk steht hinter mir. Wenn durchsickert, wie Alberico mich behandelt, wird es einen Aufstand geben.«
    »Es gab einen Aufstand – gegen dich und König Hugo. Kein Fischer vom Tiber, kein Wasserverkäufer und kein Straßenmädchen haben einen Finger für dich gekrümmt.«
    Mein sachlicher Ton dämpfte Marozias Erregung. Die Stirn in Falten gelegt, setzte sie sich wieder auf ihre Pritsche und schwieg. Nach einer Weile erklärte sie: »Alberico hat sich nie damit abfinden können, daß ich seinen Bruder Giovanni zum Papst habe wählen lassen. Ob er auch ihn in den Kerker gesteckt hat?«
    »Es wird nicht nötig sein.«
    »Du hast recht. Sogar als Papst macht Giovanni, was ihm befohlen wird. Außerdem hat er seinem Bruder nie etwas Böses getan. Bei meiner Hochzeit mit Hugo behandelte er ihn zuvorkommend und vergoß während der Zeremonie Tränen … Er ist ein weicher Junge, mitleidig und unentschlossen – ängstlich … im Gegensatz zu Alberico, der verschlagen ist, voller Gewalt, wie sein Vater …«
    »Du irrst dich, Marozia«, unterbrach ich sie, »weder der Junge noch sein Vater waren verschlagen und gewalttätig. Alberico sehnte sich nach Liebe und Anerkennung.«
    Erneut legte sich Marozia auf den Rücken, schloß die Augen und flüsterte: »Vielleicht hast du recht.«
    Als sie die Rivalität der beiden Brüder angesprochen hatte, war mir eine Szene aus ihrer Kinderzeit eingefallen, die ich nie vergessen habe.
    Alberico, der wilde Junge, kam zu seiner Mutter gerannt, die soeben dabei war, sich von dem kirchlich gekleideten Giovanni den Beginn des 119. Psalms vortragen zu lassen, den er hatte auswendig lernen müssen.
    »Ich kann ihn auch!« fiel Alberico seinem Bruder mit lautstarker Begeisterung ins Wort und drängte ihn zur Seite. »Ich habe ihn gelernt.« Er baute sich vor seiner Mutter auf.
    »Na, dann laß hören«, sagte sie, nicht ohne Stirnrunzeln über seinen ungebührlichen Auftritt.
    Alberico begann zu rezitieren, zuerst zögernd und vorsichtig, dann immer sicherer: »Ich danke Dir von rechtem Herzen, daß Du mich lehrest die Rechte Deiner Gerechtigkeit. Deine Rechte will ich halten; verlaß mich nimmermehr. Wie wird ein Jüngling seinen Weg unsträflich gehen? Wenn er sich hält nach Deinen Worten.« An dieser Stelle begann er stotternd, nach dem Anschluß zu suchen, der ihm offensichtlich entfallen war. Giovanni begann spöttisch zu kichern, und Alberico warf ihm einen wütenden Blick zu. »Ich habe ihn gerade noch gekonnt«, rief er. Nun lachte auch seine Mutter, nicht ohne Spott.
    »Ich weiß, wie der Psalm weitergeht«, mischte sich Giovanni ein, im seltenen Triumph über seinen Bruder, und streckte sich hoheitsvoll.

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