Die Heiratsschwindlerin
beiden für sich. An jenem Abend ging sie mit ihnen ins San Antonio und weidete sich an den eifersüchtigen Blicken zweier anderer Sekretärinnen. Am nächsten Abend spielten sie auf einem alten Grammofon Jazzmusik und tranken Whisky mit Eis und frischer Minze. Die beiden zeigten ihr, wie man Joints drehte. Binnen einer Woche waren sie ein regelrechtes Dreiergespann.
Und dann hatte Allan sie gefragt, ob sie ihn heiraten wolle.
Ohne nachzudenken, hatte sie unverzüglich ja gesagt. In der Annahme, es sei ein Scherz, hatte er gelacht und zu einer längeren Erklärung über seine missliche Lage ausgeholt. Er sprach über Visa, von Schikanen des Innenministeriums, von überholten Systemen und Diskriminierungen gegen Schwule. Die ganze Zeit sah er sie dabei flehentlich an, als müsse sie für die Idee erst noch gewonnen werden. Aber Milly war schon gewonnen, erschauerte bereits erregt bei dem Gedanken, ein Brautkleid zu tragen, ein Blumenbouquet zu halten, etwas Aufregenderes zu tun als je zuvor in ihrem Leben. Erst als Allan stirnrunzelnd meinte: »Ich kann kaum glauben, dass ich jemanden bitte, für mich das Gesetz zu brechen!«, ging ihr die ganze Bedeutung seiner Bitte auf. Aber die kleinen Bedenken, die sie überkamen, waren nichts gegen die Hochstimmung, die sie erfüllte, als Allan den Arm um sie legte und ihr ins Ohr flüsterte: »Du bist ein Engel.« Milly hatte atemlos zurückgelächelt und gesagt: »Da ist doch nichts dabei«, und sie hatte es wirklich so gemeint.
Und nun waren sie verheiratet. Sie hatten das Ehegelübde heruntergerasselt: Allan in trockenem, überraschend ernstem Ton; Milly mit zittriger Stimme, nahe dran loszukichern. Dann hatten sie sich ins Register eingetragen. Allan zuerst, zügig und geübt; dann Milly, die für diese Gelegenheit eine Erwachsenenunterschrift versuchte. Und dann, überraschend schnell, war alles vorbei, und sie waren Mann und Frau. Allan hatte Milly ein kleines Lächeln geschenkt und sie wieder geküsst. Ihr Mund prickelte noch immer leicht von der Berührung; der vergoldete Ehering an ihrem Finger fühlte sich noch fremd an.
»Es reicht jetzt mit den Fotos«, meinte Allan plötzlich. »Wir wollen nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen.«
»Nur noch ein paar«, wandte Milly rasch ein. Es hatte sie viel Mühe gekostet, Allan und Rupert so weit zu bringen, dass sie sich für den Anlass ein Brautkleid ausleihen durfte; nun, da sie es trug, wollte sie den Augenblick möglichst lange auskosten. Sie rückte etwas näher an Allan heran, klammerte sich an seinen Arm, spürte seinen rauen Anzug an ihrer bloßen Haut. Unvermittelt zog ein sommerlicher Windstoß an ihrem Schleier und kühlte ihren Nacken. Ein altes Theaterprogramm wurde den trockenen, leeren Rinnstein entlanggeblasen; auf der anderen Straßenseite löste sich die Gruppe der Schaulustigen allmählich auf.
»Rupert!«, rief Allan. »Jetzt reicht’s mit der Knipserei!«
»Warte!«, bat Milly verzweifelt. »Was ist mit dem Konfetti?«
»Na, okay«, erwiderte Allan nachsichtig. »Ich schätze, um Millys Konfetti kommen wir nicht herum.«
Er langte in seine Tasche und warf eine bunte Handvoll in die Luft. Gleichzeitig wurde Millys Schleier wieder vom Wind erfasst, von der kleinen Plastiktiara in ihrem Haar gerissen und wie eine Rauchfahne in die Luft gewirbelt. Der Schleier landete auf dem Bürgersteig, zu Füßen eines dunkelhaarigen Jungen von ungefähr sechzehn Jahren, der sich bückte und ihn aufhob. Als hielte er irgendein seltsames Artefakt in den Händen, beäugte er den Schleier eingehend.
»He!«, rief Milly sofort. »Das ist meiner!« Und sie lief die Treppe hinunter auf ihn zu, eine Konfettispur im Schlepptau. »Der gehört mir«, wiederholte sie noch einmal deutlich, als sie sich dem Jungen näherte, weil sie dachte, er sei vielleicht ein ausländischer Student mit schlechten Englischkenntnissen.
»Ja«, erwiderte der Junge trocken. »Das dachte ich mir schon.«
Er reichte ihr den Schleier, und Milly lächelte ihn unsicher an, bereit, ein bisschen zu schäkern. Aber die Miene des Jungen veränderte sich nicht; in seinem Blick hinter der Nickelbrille erkannte sie so etwas wie Verachtung. Mit einem Mal kam sie sich in ihrem schlecht sitzenden Brautkleid aus Nylon und mit bloßem Kopf ein bisschen albern vor.
»Danke«, sagte sie und nahm den Schleier. Der Junge zuckte mit den Achseln.
»Nichts zu danken.«
Er beobachtete, wie sie, verunsichert von seinem Starren, den Schleier wieder
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