Die Heiratsschwindlerin
möge ihr Zimmer babyrosa streichen. Seitdem war sie im Internat gewesen, im College, sogar kurz nach London gezogen – und jedes Mal war sie zurückgekehrt, zurück in dieses Zimmer. Aber am Samstag würde sie fortgehen und nie mehr zurückkommen. Sie würde ein eigenes Heim gründen. Einen Neuanfang machen. Als eine erwachsene, verheiratete Frau.
»Milly?« Die Stimme ihrer Mutter riss sie aus ihren Gedanken. »Simon ist da!«
»Was?« Milly warf einen Blick in den Spiegel und zuckte angesichts ihres zerzausten Erscheinungsbildes zusammen. »Bloß nicht!«
»Soll ich ihn raufschicken?« Ihre Mutter steckte den Kopf herein und musterte das Zimmer. »Milly! Du solltest dieses Durcheinander aufräumen!«
»Lass ihn ja nicht hochkommen!«, bat Milly und betrachtete den kandierten Apfel in ihrer Hand. Sie schlug die Zeitschrift zu und legte sie auf den Boden, dann überlegte sie es sich anders und kickte sie unter das Bett. Hastig pellte sie sich aus der jeansblauen Leggings und öffnete ihren Kleiderschrank. Auf der einen Seite hingen eine gut geschnittene schwarze Hose, ein anthrazitfarbener klassischer Rock, ein brauner Hosenanzug und eine Reihe adretter weißer Hemdblusen. Auf der anderen Seite befanden sich all die Kleidungsstücke, die sie trug, wenn sie nicht mit Simon zusammen war: zerfetzte Jeans, uralte Pullis, enge, knallige Miniröcke. All die Kleidungsstücke, die sie noch vor Samstag würde ausmustern müssen.
Sie zog die schwarze Hose und eine der weißen Hemdblusen an und griff nach dem Kaschmirpullover, den Simon ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Sie betrachtete sich eingehend im Spiegel, bürstete ihr Haar – nun honigblond und schulterlang – und schlüpfte in ein Paar teurer schwarzer Halbschuhe. Sie und Simon hatten einander oft versichert, dass man am falschen Ende sparte, wenn man sich billige Schuhe zulegte; soweit Simon wusste, besaß sie nur die schwarzen Halbschuhe, ein Paar braune Stiefel und ein Paar marineblaue Guccislipper, die er ihr selbst gekauft hatte. Seufzend schloss Milly die Schranktür, stieg über einen Unterwäschehaufen auf dem Boden hinweg und ergriff ihre Tasche. Sie besprühte sich mit Parfüm, schloss fest die Zimmertür und schickte sich an, die Treppe hinunterzugehen.
»Milly!«, zischte ihre Mutter ihr zu, als sie an deren Zimmer vorbeiging. »Komm her!«
Gehorsam betrat Milly das Zimmer. Olivia Havill stand an einer Kommode, vor sich ihre geöffnete Schmuckschatulle.
»Schatz«, sagte sie fröhlich, »sag mal, magst du dir heute Nachmittag nicht meine Perlen ausleihen?« Sie hielt ein doppelreihiges Perlenkropfband mit einem Diamantverschluss in die Höhe. »Sähe toll aus zu diesem Pullover!«
»Mummy, wir gehen doch bloß zum Pfarrer«, entgegnete Milly. »Das ist doch nicht wichtig. Wozu brauch ich da eine Perlenkette!«
»Natürlich ist es wichtig!«, versetzte Olivia. »Du musst das ernst nehmen, Milly. Schließlich gibt man sein Ehegelübde nur einmal ab!« Sie hielt inne. »Und außerdem tragen alle Bräute aus der Oberschicht Perlen.« Sie hielt die Kette an Millys Hals. »Echte Perlen. Nicht diese albernen Dingerchen da.«
»Ich mag meine Süßwasserperlen«, verteidigte sich Milly. »Und ich komme nicht aus der Oberschicht.«
»Schatz, in Kürze bist du Mrs. Simon Pinnacle.«
»Simon kommt auch nicht aus der Oberschicht!«
»Sei nicht albern«, meinte Olivia scharf. »Natürlich tut er das. Sein Vater ist Multimillionär.« Milly verdrehte die Augen.
»Ich muss gehen!«
»Na gut.« Mit Bedauern legte Olivia die Perlen zurück in ihre Schmuckschatulle. »Wie du willst. Und, Schatz, denk doch bitte dran, Pfarrer Lytton wegen der Rosenblätter zu fragen.«
»Mach ich«, versprach Milly. »Bis später!«
Sie eilte die Treppe hinab in die Diele und schnappte sich von der Garderobe ihren Mantel.
»Hi!«, rief sie ins Wohnzimmer, und als Simon in die Diele trat, warf sie hastig einen Blick auf das Titelblatt des Daily Telegraph und versuchte, sich so viele Schlagzeilen wie möglich einzuprägen.
»Milly!«, sagte Simon grinsend. »Du siehst hinreißend aus.« Milly sah auf und lächelte.
»Du auch.« Simon war fürs Büro gekleidet, er trug einen dunklen Anzug, der wie angegossen an seinem drahtigen Körper saß, ein blaues Hemd und eine dezente Seidenkrawatte. Das dunkle Haar stand widerspenstig von seiner breiten Stirn ab, und er duftete diskret nach Aftershave.
»So«, meinte er, öffnete die Haustür und geleitete sie in die frische
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