Die heißen Kuesse der Revolution
das war ihr vollkommen klar.
„Ich lasse dich nicht gehen“, sagte er leise.
„Das ist Tyrannei.“
Er lächelte. „Kann schon sein.“
„Ich glaube nicht, dass Lady Catherine mir erlauben wird, zu bleiben.“
Er zog amüsiert die Augenbrauen hoch. „Das hier ist mein Haus. Sie wird tun, was ich wünsche.“
Darauf wusste Julianne nichts mehr zu sagen.
Julianne lag zusammengerollt im Bett, als jemand an der Tür klopfte. Sie war so erschöpft gewesen, dass sie den ganzen Tag über immer wieder eingeschlafen war. Es war früher Abend, als sie erwachte. Ihr Herz pochte aufgeregt. Sie hoffte, dass Dominic vor der Tür stand.
Doch es war Nancy, die mit einem Stoß Kleider hereinkam. „Sie haben einen Besucher. Soll ich Ihnen beim Anziehen helfen?“
Das kann nur Lucas sein, dachte sie. Sie hoffte, dass Dominic außer Haus war. „Ist der Earl of Bedford auch da?“, fragte sie beiläufig.
„Er leistet unten ihrem Besucher Gesellschaft.“ Nancy hielt ein wunderschönes seidenes, spitzenbesetztes Unterkleid hoch.
Julianne betrachtete erst das Unterkleid und den Unterrock und dann ein Ensemble aus hellblauer Seide. Es war ein gerippter und drapierter Rock und ein dazu passendes Jackett. „Wem gehörten die Kleider?“, fragte sie. „So etwas Edles habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht getragen.“
„Ich weiß es nicht. Ich glaube, Seine Lordschaft hat jemanden zu Lady Catherines Schneiderin geschickt. Vielleicht hat jemand anders diese Sachen bestellt, aber er konnte sie irgendwie erwerben?“
„Ich glaube nicht, dass ich das tragen sollte.“
„Man hat mich angewiesen, es Ihnen zu bringen.“ Nancy wirkte besorgt. „In diesem hellen Blau werden Sie sehr schön aussehen, Miss Greystone.“
Julianne gab nach. Es spielte sowieso keine Rolle, was sie trug. Wenn Dominic ihrem Bruder die Einzelheiten der vergangenen Tage erzählte, wäre er sehr wütend auf sie.
Eine Viertelstunde später folgte Julianne Nancy mit frisch gebürstetem Haar nach unten. Auf den letzten Stufen konnte sie in einen großen Salon schauen, dessen Mahagonitüren weit offen standen. Sie erblickte die beiden Männer, bevor sie sie sahen. Dominic hatte noch immer den dunkelbraunen Mantel an und hielt ein Glas in der Hand. Lucas stand in einem Gehrock und Stiefeln mit dem Rücken zu ihr. Sie erschauderte, als Dominic sie anerkennend musterte.
Lucas wandte sich um und sah sie kalt an.
Ihr Herz raste. Sie versuchte gar nicht erst zu lächeln, als sie die letzten Stufen herabstieg und beklommen den Salon betrat. „Guten Abend, Lucas.“
Er verbarg seinen Ärger nicht. „Ich bin sehr wütend auf dich.“
Sie sah Dominic an. „Hast du mir wenigstens ein bisschen erspart?“
„Nein, habe ich nicht.“
Sie ging zu ihrem Bruder und küsste ihn auf die Wange, aber er ergriff ihren Arm. „Man hat dich eingekerkert.“
„Ja, aber jetzt ist alles in Ordnung, wie du siehst.“
„Aber nur, weil es dem Earl of Bedford gelungen ist, dich da rauszuholen.“ Seine grauen Augen blitzten vor Zorn.
„Du bist doch auch in irgendwelche geheimen Sachen verwickelt!“
Lucas schluckte fassungslos. „Das handelt mir aber nicht den Vorwurf des Hochverrats ein! Versuch gar nicht erst, dich zu verteidigen. Ich bin es leid, mir ständig anhören zu müssen, wie du über deine Rechte redest. Offensichtlich war ich zu nachsichtig mit dir.“
„Was immer Dominic dir auch erzählt hat, ich bin sicher, er hat übertrieben“, sagte sie vorsichtig.
„Ich habe ihm alles so erzählt, wie es war, Julianne“, erwiderte Dominic sachlich.
Sie biss sich auf die Lippe. „Dann weiß er ja, dass es so schlimm nicht war!“
Lucas blickte von einem zum anderen. „Ich weiß, dass du mich angelogen hast, Julianne. Du wolltest nach London, um eine radikale Versammlung zu besuchen. Dort hat man dich zu Boden geschlagen. Dein Kinn ist immer noch blau. Und dann bist du sehr krank geworden. Sobald du wieder reisefähig bist, wirst du nach Greystone zurückkehren. Dort interessiert es niemanden, was du sagst oder tust.“
„Da wäre ich nicht mehr so sicher“, sagte Dominic an Lucas gewandt, ohne Julianne aus den Augen zu lassen. „Was jetzt hier in London passiert, wird bald im ganzen Land geschehen. Dieser Verdacht ist mir bestätigt worden. Die Mitarbeiter des Aufruhrbüros werden überall im Land nach britischen Radikalen fahnden und sie verhaften.“
Lucas wandte sich an Julianne. „Das habe ich auch gehört. Ich habe sowieso schon genug
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