Die heißen Kuesse der Revolution
Julianne feindselig an.
„Wir sind befreundet.“ Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, aber sie ahnte, dass aus diesem Zusammentreffen nichts Gutes erwachsen konnte.
„Er hat mir alles von Ihnen erzählt, Miss Greystone. Ich bin Ihnen überaus dankbar, dass Sie meinen Sohn wieder gesund gepflegt haben, als er so gefährlich verwundet war.“
Julianne mochte den Beiklang ihres ersten Satzes gar nicht. Warum sah diese Frau so auf sie herab? War sie ein eitler, herausgeputzter Snob oder hatte sie andere Gründe, Julianne so zu verachten? Denn dass sie dies tat, war offensichtlich. „Ich konnte ihn unmöglich sterben lassen.“
„Selbst wenn Sie die Wahrheit gekannt und gewusst hätten, dass er der Earl of Bedford und ein Patriot ist?“
Julianne biss sich auf die Lippe. „Ich hätte ihm auch geholfen, wenn ich die Wahrheit gekannt hätte. Hat er Ihnen erzählt, dass ich ihn für einen Franzosen hielt?“
„Er erzählte mir, dass Sie ihn für einen Offizier der Revolutionsarmee gehalten haben.“ Ihr Blick war geradezu furchterregend eindringlich.
Sie weiß, dachte Julianne erschrocken, dass wir in diesem Krieg auf verschiedenen Seiten stehen. „Ich bin Dominic sehr dankbar für alles, was er für mich getan hat. Und ich danke Ihnen, dass Sie erlaubt haben, mich in diesem Haus …“
Lady Catherine schnitt ihr das Wort ab. „Ich schulde Ihnen etwas dafür, dass Sie sich um meinen Sohn gekümmert haben, als er ernsthaft verletzt war. Nur deshalb habe ich zugelassen, dass Sie sich hier von Ihrer Einkerkerung und Ihrer Krankheit erholen konnten.“ Ihre grünen Augen blitzten zornig. „Aber nun sind Sie wieder gesund. Dies ist auch mein Haus. Ich habe keinerlei Sympathie für Jakobiner, Miss Greystone. Keinerlei.“
Julianne atmete tief ein. „Dessen bin ich mir bewusst“, sagte sie. Klug wie sie war, schluckte sie den Hinweis auf das freie England runter.
Catherine erhob sich. „Sie haben das Recht, eigene Ansichten zu haben, aber nicht in diesem Haus. Sie sind der Feind.“
Julianne starrte Lady Catherine an. „Ich unterstütze vielleicht die Revolution“, wagte sie zu sagen, „aber ich bin doch nicht Ihr Feind.“
„Und ob Sie der Feind sind!“, rief Lady Catherine. „Ich bin eine Französin, eine Gräfin, eine Royalistin! Mein Sohn ist ein Engländer, ein Tory und ein Patriot! Sie treffen sich mit Ihren radikalen Bundesgenossen, um Propaganda zu machen für egalité und liberté , und zwar für alle! Wo aber gibt es diese Freiheit, Miss Greystone? In Paris ist sie mit Sicherheit nicht zu finden. Dort wurde mein Haus von einer wütenden Menschenmenge mit voller Absicht geplündert und zerstört. Ich musste aus Paris fliehen und um mein Leben fürchten. Ist das etwa Freiheit? Ist das die Revolution, für die Sie eintreten?“
Julianne versuchte gar nicht erst zu antworten.
„Ich darf nicht mehr in mein Haus auf dem Land, das sich seit Jahrhunderten im Besitz meiner Familie befand! Ist das Freiheit?“
„Ich bin gegen Gewalt, gegen Plünderungen und gegen alle anderen Formen der Einschüchterung“, brachte Julianne hervor. „Aber Bedienstete, Arbeiter und Bauern haben auch ein Recht auf ihre Freiheit.“
„In diesem Haus behalten Sie Ihre Ansichten bitte für sich. Und was Ihre radikalen Aktivitäten angeht, mein Sohn trägt schon eine große Verantwortung. Soll er sich jetzt auch noch um Sie Sorgen machen? Sie aus Gefahren befreien? Ihnen Unterschlupf gewähren? Weil er hingerissen ist von Ihren rotem Haar, Ihrem hübschen Gesicht und Ihrem netten Körper?“
„Wir sind Freunde“, wiederholte Julianne schwächlich.
„Ach was“, erwiderte die Dowager Countess grob, „ich erkenne ein Liebespaar, wenn ich eins sehe. Sollten Sie sich aber einbilden, mein Sohn würde jemals ernsthafte Absichten für eine Frau wie Sie hegen, für eine Radikale, eine Jakobinerin, dann täuschen Sie sich. Für ihn sind Sie nur eine vorübergehende Schwärmerei. Ich kenne meinen Sohn!“ Erhitzt stand sie auf und eilte zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal um. „Ich möchte, dass Sie dieses Haus so schnell wie möglich verlassen, Miss Greystone. Und ich hoffe sehr, dass es noch heute sein wird. Dominic ist vielleicht geblendet von Ihrem Charme. Ich bin es nicht.“
Julianne sank zurück in die Kissen. Lady Catherine war selbst schon furchteinflößend, wenn man nicht gerade ihren Zorn auf sich gezogen hatte. Wie kam sie nur darauf, Dominic könnte von ihrem Charme geblendet sein? Schließlich
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