Die heißen Kuesse der Revolution
Doch er ging nicht hindurch, er postierte sich neben ihr.
Plötzlich schwärmten mehr als ein Dutzend Männer in den Saal. Sie schwangen Stöcke und Knüppel.
Sie fingen an zu schreien, als ob sie Befehle erteilen wollten, aber Julianne konnte nichts verstehen, weil die Menge immer noch Butler zujubelte und applaudierte. Aus einem Augenwinkel sah sie, wie der Mann in Blau die Teilnehmerliste ergriff. Entsetzt starrte sie ihn an.
Plötzlich sah er auf, und ihre Blicke trafen sich. Er hatte blitzende blaue Augen. Während er die Liste ohne Eile zusammenfaltete und in seine Innentasche steckte, grinste er sie höhnisch an.
Die Männer drängten die Teilnehmer an die Wände. Einige Teilnehmer wehrten sich dagegen. Julianne sah, wie einer der Eindringlinge eine Pistole zog und damit einem Teilnehmer ins Gesicht schlug. Währenddessen schritt der Mann in Blau gelassen durch den Mittelgang nach vorn.
Wir werden angegriffen.
Ich muss hier raus.
Aber Julianne war von lauter Handgreiflichkeiten und Gewalt umgeben. Sie sah, wie vier Männer Jerome Butler packten und ihn hinter dem Podium zu Boden rangen, während sie ständig auf ihn eintraten.
Julianne wollte zum Podium stürzen, um Butler zu helfen. Aber jemand stieß ihr den Ellbogen in die Rippen und schob sie brutal zur Seite. Sekundenlang bekam sie keine Luft.
Schwer atmend wich sie einer Faust aus und sprang um drei miteinander ringende Männer herum. Auf dem Podium stand jetzt der bedrohliche Mann in der blauen Jacke. Wieder trafen sich ihre Blicke.
„Sorgen Sie dafür, dass das aufhört!“, schrie sie ihn an. Butler lag hinter ihm reglos am Boden. Julianne wusste nicht, ob er bewusstlos oder tot war.
Der Blaue hielt ein Sprachrohr vor den Mund. „Wir in Großbritannien dulden keinen Aufruhr“, brüllte er in die Menge. „Wir kommen von der Reeves Society. Wir werden die Radikalen und die Gleichmacher bekämpfen. In diesem Land wird es weder Aufruhr noch Verrat geben. Ihr werdet für eure Hetze bezahlen müssen!“
Mehrere Teilnehmer wurden mit hoch erhobenen Händen an die Wände gedrückt, andere lagen blutüberströmt am Boden. Einige kämpften noch, doch sie waren unbewaffnet und in Unterzahl. Sie hatten keine Chance. Juliannes Herz hämmerte vor Angst.
Natürlich hatte sie von dieser reaktionären Reeves Society gewusst. Sie hatte von den brutalen Banden gelesen, die überall im Land die radikalen Zusammenkünfte aufmischten.
Doch Julianne hatte viel zu viel Angst, um wütend zu sein.
„An die Wand auch mit den Damen“, höhnte jemand hinter ihr, „falls sie denn eine sein sollten.“
Julianne drehte sich um, um zu protestieren, doch bevor sie etwas sagen konnte, wurde sie von einem Hünen nach hinten geschoben.
Julianne fühlte sich, als sei sie geschlagen worden. Sie taumelte rückwärts in zwei kämpfende Männer hinein. Ein Ellbogen traf sie am Kinn.
Sie schrie auf vor Schmerz und sah nur noch Sternchen. Bevor sie fallen konnte, riss der Riese sie wieder hoch. „Na, da hab ich mir ja ein hübsches Frauenzimmer geangelt.“
Ihre Furcht verwandelte sich in reine Panik. Julianne wand sich verzweifelt in seinen Händen, doch er ließ nicht wieder los. Ohne nachzudenken, krallte Julianne ihm die Fingernägel ins Gesicht.
Er schrie auf und ließ sie los.
Julianne stolperte erschrocken zurück und sah erstaunt die blutigen roten Striemen in seinem Gesicht.
„Du Schlampe!“, schrie der Hüne fassungslos. Seine Augen glühten vor nackter Wut.
Julianne fürchtete, er würde sie gleich umbringen.
Doch der Mann in Blau trat zwischen sie.
Julianne wollte losrennen und fliehen, doch sie stolperte über den Arm oder ein Bein eines am Boden Liegenden und fiel hin. Jemand trampelte über sie hinweg. Julianne schrie auf vor Schmerz.
Doch sie hatte keine Zeit zum Leiden. Sie musste sofort wieder auf die Füße kommen, sonst wurde sie hier noch zu Tode getrampelt! Gerade als sie aufstehen wollte, zog sie jemand auf die Füße.
Sie blickte in die blitzenden blauen Augen des Anführers der Reeves-Bande. Er schob sie durch die Menge und schubste sie aus der Tür. „Geh heim“, sagte er sanft.
Julianne wollte zuschlagen, aber sie ergriff lieber die Flucht.
Was für ein wunderschöner Tag, dachte Dominic.
Er ritt auf seinem schwarzen Rassepferd gemächlich an mehreren Kutschen und Einspännern vorbei durch den Hyde Park. In den meisten Karossen saßen schöne Frauen, von denen er viele kannte. Jede begrüßte er mit einem Nicken und einem
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