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Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Titel: Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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Regisseur, irgendeinem Typen vom Sender und einem Justitiar. Diesen Leuten – vor allem aber Jegor – erzählte Nele nun alles. Peggys ganze Geschichte.
    Der Typ vom Sender liebte die Geschichte und fand sie »Hammer! Bisschen Soap, bisschen Sozialdrama. Geiler Mix!«.
    Jegor sagte zu Nele: »Klar, ich helfe dir.«
    Nele sagte: »Danke.«
    »Ich hab oft an dich gedacht«, sagte Jegor leise.
    Und Nele sagte: »Du singst wunderschön. Das habe ich nicht gewusst.«
    »Du weißt eine Menge nicht über mich«, antwortete Jegor.
    Und der Justitiar dachte, ja, sie weiß zum Beispiel nichts von den beiden Jugendstrafen wegen Körperverletzung und Nötigung, behielt es aber für sich.

    Einige Stunden später stand Peggys Fall auf Jegors Facebook-Seite. Am nächsten Tag waren die Zeitungen voll davon. Nele bekam eine mächtige Standpauke von ihren Eltern zu hören – bevor sie ihr sagten, wie stolz sie auf sie seien.
    In der Öffentlichkeit und in den Medien wurde eine Riesendiskussion losgetreten. Warum sollten Schwule oder Menschen über vierzig keine Kinder adoptieren dürfen? Die meisten Leute standen auf Jörns Seite, fanden, dass er zumindest die Pflegschaft behalten sollte, bis Adoptiveltern für Peggy gefunden wären. Doch natürlich gab es auch andere Stimmen. Irgendein Bischof nutzte die Chance, um zu bekräftigen, dass Homosexualität eine Sünde gegen Gott sei, irgendein CSU-Typ fand, dass man ohnehin lieber wieder Kinderheime statt Pflegefamilien propagieren sollte, und auch im liberalen Hamburg gab es mehr als genug Leute, die der Meinung waren, dass ein Behördenentscheid etwas war, woran man nicht rüttelte. Die genervte Frau Zertl nahm Urlaub und war für die Presse nicht zu sprechen. Der Behördenleiter musste sein Gesicht wahren und bestand darauf, dass Peggy wie geplant abgeholt und in eine »sehr schöne, therapeutisch gut begleitete Wohneinrichtung« gebracht wurde, »die Peggys besonderer Persönlichkeit gerecht« würde. Ganz persönlich hätte der hohe Beamte Peggy bei Jörn gelassen. Er sah da eigentlich kein Problem. Aber er musste seine Position verteidigen. Es konnte schließlich nicht angehen, dass ein paar Schriftsteller, Theaterleute, Schwule, eine Lehrerin und eine Frau, die Grußkarten textete, die Hamburger Regierung erpressten. Auch nicht, wenn sie so ein singendes Jüngelchen im Internet und im Fernsehen dabei unterstützte.

    An dem Tag, an dem Peggy abgeholt werden sollte, wurde die Sache richtig dramatisch. Alle Kirschkernspucker verschanzten sich mit Peggy in der Wohnung von Jörn. Unten auf der Straße hatten Svens Freunde vom Thalia Theater eine kleine Bühne aufgebaut, auf der etliche Hamburger Prominente Reden hielten und ihre Solidarität bekundeten. Später würde hier Jegor singen. Nicht nur deswegen hatten sich mehrere hundert Leute vor dem Haus eingefunden. Der Polizei, die das alles nicht genehmigt hatte, aber nicht auf Teenager, brave Bürger und Prominente einprügeln wollte, war nichts anderes übriggeblieben, als die Straße für den Autoverkehr zu sperren.

    Nele ging zu Peggy, die eingeschüchtert auf dem Sofa kauerte, nahm sie in den Arm und strich ihr über das Haar.
    »Das alles hier ist nur für dich. Weil wir dich lieben«, sagte Nele.
    Peggy umarmte Nele und begann zu weinen. Sie hatte nicht gewusst, wie wichtig sie war. Sie hatte nicht gewusst, wie viel sie den Menschen um sich herum bedeutete. Und es waren gute Tränen, die da flossen. Sehr gute Tränen.
    * * *
    Heute ist mein Geburtstag. Mein fünfzigster. Eigentlich sollte ich feiern, aber als was auch immer man das beschreiben möchte, was um mich herum passiert, eine Feier ist es ganz sicher nicht. Wir hätten nie gedacht, dass das alles so weit kommen würde.
    Immerhin befinde ich mich im Kreis meiner Lieben. Und nicht nur die Kirschkernspucker sind da. Da sind noch viele andere Leute, die mir wichtig sind: meine wunderbare Nele, die arme, verängstigte Peggy und Jörn natürlich, der längst selbst ein Kirschkernspucker geworden ist. Sie sind alle gekommen: die verrückte Anita, der kauzige Adze, Lucy und ihr Polizist, die bald heiraten wollen, Florian, der inzwischen Dreadlocks trägt und voll in seiner Ökogärtnerei aufgeht – und dieser traurige Russe, dem ich eigentlich dankbar sein sollte, der mir aber immer noch irgendwie Angst macht. Der Russe ist nicht direkt bei uns. Er steht unten auf der Straße und singt in ein Mikrophon. Seine Stimme hallt laut von den Hauswänden wider. Er hat eine

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