Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)
erklären. Und außerdem war sie immer so gut drauf.
Peggy wusste, dass sie von Jörn weg sollte. Und das war eine so schreckliche Vorstellung, dass sie sie gar nicht richtig an sich heranließ. Alle hatten versucht, ihr die Gründe zu erklären, warum man sie fortschicken wollte, aber so richtig verstanden hatte sie es nicht. Peggy kam sich oft sehr dumm vor. Besonders im Umgang mit den Erwachsenen. Die benutzten manchmal so große, fremde Worte, auch wenn sie mit ihr redeten, und Peggy mochte nicht zugeben, dass sie nur die Hälfte davon kapierte. Sie meinten es aber gut, das wusste Peggy. Und sie liebten sie. Sie waren ihre Familie, und sie fand es wunderbar, unter all diesen Menschen zu sein. Jörn wusste meistens, was sie wollte und was sie dachte, ohne dass sie es sagen musste. Das war so ein unglaublich schönes Gefühl! Als ob er in ihrem Kopf wohnte und aufpasste, dass dort nicht allzu viel durcheinanderkam. Manchmal, wenn sie traurig war, klopfte Jörn an die Tür und fragte, ob sie ein Brettspiel mit ihm spielen wolle, oder einer der Kirschkernspucker kam vorbei, am besten Nele, und dann wurde gelacht und herumgeblödelt.
Piet machte immer so herrlich komische Sprüche, aber die waren nicht so komisch wie die von Onkel Dille, weil der dabei oft auch noch Grimassen zog. Neulich hatte sich Dille zwei Grissinistangen in die Nasenlöcher gesteckt und so getan, als ob er ein Walross wäre. Peggy musste furchtbar lachen. Petra machte nicht so viel Quatsch. Dafür sagte sie öfter Scheiße als jeder andere Mensch, den Peggy kannte. Aber es klang nicht böse bei ihr. Petra kam Peggy immer ein bisschen wie eine Superheldin vor, die alles erreichen konnte, was sie wollte. Petra war eine ganz Starke. Und Lucy, die ja die Tochter von Petra war, sagte auch ganz oft freche Sachen und wusste immer, was zu tun war. Wenn Peggy manchmal traurig war, dachte sie an Lucy mit ihrer lustigen Strubbelfrisur. Und dann versuchte Peggy, ein bisschen wie Lucy zu sein, auch wenn das nicht so recht klappte, weil Peggy eben Peggy war und jeder so ist, wie er ist.
Manche Kinder in ihrer Klasse sagten, Peggy sei noch ein Baby. Und der eine Lehrer hatte neulich gesagt, er würde das noch mal ganz langsam erklären, damit auch Peggy es versteht. So ein Arschloch, hatte Peggy gedacht, hatte aber nur ergeben gegrinst, als ob das ein Witz gewesen wäre und keine Kränkung. Und es gab ja auch viel Schlimmeres, als langsam und zurück zu sein. Peggy war lieber ein Baby als eine, die immer vorneweg preschte. Babys wurden nämlich geliebt. Auf Babys wurde aufgepasst.
Peggy litt darunter, dass die anderen Kinder sie ärgerten und sagten, sie sei dumm und seltsam. Aber es war auszuhalten. Denn die anderen Kinder waren nicht wirklich wichtig. Sie hatte ja Jörn und Nele und die Kirschkernspucker. Und in der Parallelklasse war immerhin noch Amina, die in der Pause mit ihr spielte. Amina wurde auch geärgert. Weil sie so dick war. Peggy war es egal, wie dick oder dünn oder klug oder cool jemand war. Solange er nett war.
Susann war nett. Sie hatte neulich einen Blumenkasten für den Balkon mit ihr bepflanzt. Susann kam zwar nicht mehr so oft wie früher (erst jetzt, wo Peggy weg sollte, waren die Kirschkernspucker alle wieder ganz oft da), aber Susann hatte trotzdem immer mal wieder vorbeigeschaut und etwas mit Peggy unternommen. Sie hatten keine Blumen reingetan in den Blumenkasten, sondern Peggy durfte im Gartencenter Samen für Kräuter aussuchen. Die keimten jetzt schon. Bald würde es Petersilie sein und Basilikum und Koriander. Jörn würde Peggy damit etwas kochen, hatte er versprochen. Das würde ganz toll werden.
Peggy schluckte. Wenn sie woanders leben musste, würde sie dann noch mal zurückkommen dürfen, um ihre Petersilie zu ernten? Und würde Jörn dann überhaupt noch für sie kochen wollen? Oder wäre sie ihm dann egal? So wie sie ihrer Mutter egal gewesen war?
Peggy wollte nicht woanders leben! Sie wollte hierbleiben. Niemand auf der ganzen Welt, das wusste Peggy ganz sicher, war so nett wie Jörn. Und niemand anderes würde so gut in ihrem Kopf leben können wie Jörn, der wusste, was ihr guttat, und der immer für sie da war. Wenn man sie wirklich woanders hinschicken sollte … Nein, daran wollte sie gar nicht denken. Dann würde sie lieber gar nicht leben wollen. Dann würde sie lieber von ihrer Zeit hier träumen. Sie würde davon träumen, wie sie mit Jörn und Nele und den anderen im Wald spazieren ging. Da wäre ein
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