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Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Titel: Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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üblicherweise einfach oben vom Stapel nahm, ohne mir darüber Gedanken zu machen, ob sie miteinander harmonierten. Ich wollte dem Herrn aus der NDR-Kulturabteilung außerdem signalisieren, dass ich keiner dieser eitlen, affektierten Möchtegern-Literaturpreisträger war, mit denen er sonst sicher mühsame und humorlose Gespräche führen musste. Nein, ich war ein Normalo. Ein lockerer Typ. Einer, der abends die Simpsons guckte.

    »Du hast dein Homo-T-Shirt an!«, lachte Nele und zeigte auf den Homer Simpson auf meinem Bauch.
    Meine Tochter, die gerade ins Zimmer gekommen war, strahlte Susann und mich triumphierend an. Wie immer, wenn sie einen Witz gemacht hatte. Mein Kumpel Dille hatte ihr das beigebracht: Homo Simpsons! Haha. Dille-Humor. Nele war gerade mal sechs Jahre alt und kannte dank Dille auch schon die Ausdrücke Hämorrhoiden, Vorhaut und Amoklauf. Dille hatte meiner Tochter außerdem eine ganz besondere Form der Reaktion beigebracht, wenn Susann oder ich ihr etwas auftrugen. Sagten wir zu Nele beispielsweise: »Räum dein Zimmer auf« oder »Bring bitte den Teller in die Küche«, pflegte unsere Kleine zu antworten: »Heute nicht, Schatz. Ich hab Kopfschmerzen.«
    Die Flausen, die Dille unserer Nele in den Kopf setzte, waren völlig unpassend. Zugegebenermaßen waren sie aber auch ziemlich komisch. Susan und ich mussten uns oft ganz schön zusammenreißen, um nicht loszulachen, wenn Nele einen ihrer unangebrachten Gags abfeuerte.
    Da nun beide weiblichen Mitglieder meiner Familie einen abfälligen Kommentar über meine Garderobe abgegeben hatten, blieb mir keine andere Wahl, als mich umzuziehen. Eine Viertelstunde später stieg ich mit gebügeltem Freizeithemd, fransenfreier schwarzer Jeans und geputzten Halbschuhen ins Auto. Susann und Nele gaben mir Abschiedsküsse.
    »Viel Glück«, sagte Susann.
    »Bau keinen Scheiß, Alter«, kicherte Nele.
    Ich sollte ernsthaft darüber nachdenken, Dille Hausverbot zu erteilen.

    Beim NDR wurde ich von einer Sekretärin in einen schmucklosen Raum abgeschoben. Der Mitarbeiter, der mich interviewen sollte, war noch auf einem Außentermin. Ich saß also auf mich allein gestellt auf einem Bürostuhl und drehte mich in Ermangelung irgendeiner anderen Tätigkeit, die sich anbot, seit einer Viertelstunde rasant im Kreis, während aus einem Lautsprecher an der Wand das aktuelle Programm von NDR 2 dudelte. Eben hatte Robbie Williams Eternity geschmachtet, jetzt besang Enrique Iglesias irgendeinen Hero. Und dann ging die Tür auf. Mein Redakteur war da! Endlich! Ich stoppte mein Bürostuhl-Karussell-Spiel so abrupt, dass ich halb von der Sitzfläche rutschte.
    »Herr Lehmann?«, fragte der Redakteur und tat so, als wäre es ganz normal, dass ein ausgewachsener Mann schräg zwischen Bürostuhl und Fußboden hing wie ein nasser Sack.
    Ich nickte und erhob mich so würdevoll, wie es in dieser Situation möglich war.
    Als ich endlich stand, schüttelten der Mann und ich uns die Hand. Ich musterte mein Gegenüber. Das konnte nicht der Redakteur sein. Der Bursche hier war höchstens zwanzig Jahre alt. Vermutlich ein Praktikant, der mich gleich zu der graumelierten Kulturkoryphäe des Senders führen würde.
    Doch dann stellte der Bubi sich vor: »Dominik Brockheffer. Freut mich sehr.«
    Es war derselbe Name, den ich schon am Telefon gehört hatte. Jungchen war tatsächlich der Kulturjournalist.
    Okay. Ich musste mich anscheinend langsam daran gewöhnen, dass ich als einundvierzigjähriger Mann beruflich zunehmend mit jüngeren Leuten zu tun haben würde. Ich hatte schließlich früher selbst als Mittzwanziger des Öfteren Herren gesetzten Alters interviewt. Aber hatte ich damals nicht viel reifer gewirkt als dieser Knabe hier?
    Auf jeden Fall war ich besser vorbereitet gewesen. Denn nun sagte Herr Brockheffer: »Gratuliere zu Ihrem ersten Roman. Er soll ja ganz toll sein. Sie müssen entschuldigen, ich hatte keine Zeit, ihn zu lesen. Unsere Volontärin hat aber total davon geschwärmt. Es geht irgendwie um deutsche Geschichte. Und um Familie und so was, oder?«
    Ich seufzte. Das konnte ja heiter werden.

    Klein-Dominik hatte uns beiden Kaffee organisiert und saß mir nun freundlich lächelnd gegenüber. Er hatte mich gebeten, ihm vor dem Interview einen »kurzen Überblick« über mein Buch zu geben. Was ich tat.
    »Kirschkerne«, sagte ich, »ist eine Geschichte über Freundschaft. Und über die Wege und Abzweigungen, die das Leben einem offeriert, während man in eine ganz

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