Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)
Pudding-Attentat auf Vizepräsident Humphreys…«
»Können wir vielleicht mal zum Thema zurückkehren?«, unterbrach Dille seine Tochter. »Ihr seid bei Karstadt eingebrochen?«
»Wir waren acht oder neun Leute«, fuhr Florian fort. »Wir sind in die Möbelabteilung eingestiegen und haben uns dort eingenistet. Probewohnen bei Karstadt. Bettenbesetzung! Ironie, verstehste? Wir haben uns Sachen aus der Lebensmittelabteilung geholt und eine Party gefeiert. So von wegen … Konsumgüter sind für alle da. Keiner hat das Recht…«
»Ihr habt eine Party gefeiert?! Bei Karstadt?! Nachts?!«, schrie Dille. »Seid ihr noch ganz dicht?! Dafür kommt ihr ins Gefängnis!«
»Wir haben nichts beschädigt«, beeilte sich Lucy zu versichern. »Und wir sind auch nicht richtig eingebrochen. Einer aus unserer Gruppe hat einen Bruder, der beim Wachdienst von Karstadt arbeitet, und von dem hatten wir den Schlüssel für eine Hintertür.«
»Wir haben Fotos gemacht. Und wir haben Leute vom Fernsehen angerufen«, ergänzte Florian. »Die sind mit einem Kamerateam gekommen, als wir verhaftet wurden.«
»Bei Spaßguerilla geht’s ja immer auch um Öffentlichkeit«, erklärte Lucy. »Die Karstadt-Typen werden aber versuchen, es als Bagatelle abzutun. Die haben gar kein Interesse, dass das groß thematisiert wird oder gar vor Gericht geht. Außerdem haben wir schon vorher mit einem guten Anwalt gesprochen. Einer aus unserer Gruppe kennt einen, der …«
»Ich fass es nicht!«, rief Dille. »Das ist doch … Ach, du Scheiße! Habt ihr eine Ahnung, was da jetzt alles auf uns … auf euch … auf uns alle zukommt?!«
Dille war außer sich. Er schaute zu Petra hinüber, die immer noch ganz ruhig und mild lächelnd dasaß.
»Und was grinst du so blöd?!«, rief er. »Sag doch auch mal was!«
»Ich bin schwanger«, sagte Petra völlig gelassen.
Dille fiel die Kinnlade herunter.
* * *
Der NDR sendete das Interview doch. Ich wurde jedoch nie darauf angesprochen. Wahrscheinlich hört wirklich kein Mensch die Kulturbeiträge im Radio.
Am nächsten Tag telefonierte ich mit Ulf, meinem Lektor beim Verlag.
»Ich hab eine großartige Idee für ein neues Buch«, sagte ich.
Ulf druckste herum. »Piet … Weißt du … Wir sollten erst mal …«
»Ich würde gern etwas über eine Frau mit Depressionen schreiben«, redete ich einfach weiter. »Ich finde, das ist ein faszinierendes Thema. Depressionen.«
Auf der anderen Seite der Leitung war es still.
Es war viel zu lange still.
»Piet«, sagte mein Lektor schließlich. »Um ehrlich zu sein … Wir haben von deinem Buch weniger Exemplare verkauft als von dem veganen Kochbuch für Kinder. Ich glaube nicht, dass der Verleger bereit ist, dir eine weitere Chance …«
»Depressionen!«, rief ich aus. »Es gibt Millionen Menschen da draußen mit Depressionen! Wenn nur jeder Zehnte davon mein Buch kauft …«
»Piet«, unterbrach mich Ulf. »Depressive Leute sind zu deprimiert, um deprimierende Bücher zu lesen. Die gucken lieber die Wand an.«
»Aber das wäre eine Figur, in die ich mich momentan total gut hineinversetzen könnte!«, rief ich mit der Beharrlichkeit der Verzweifelten.
Ich wäre erledigt, wenn ich nicht die Chance auf einen zweiten Roman bekäme.
»Du weißt, wie sehr ich deine Schreibe schätze«, sagte mein Lektor in väterlichem Tonfall, obwohl er zehn Jahre jünger ist als ich. »Aber momentan laufen diese Art von Bücher einfach nicht. Momentan wollen alle Fantasy. Harry Potter. Kennste doch, oder? Da gibt’s bald schon wieder einen neuen Band. Und Krimis. Henning Mankell zum Beispiel, der läuft wie blöde. Deine Art von Romanen aber, so toll ich sie finde …«
»Ich kann auch Krimi«, sagte ich verzweifelt.
»Was?«, wunderte sich Ulf.
»Ich liebe Krimis!«, log ich.
»Echt?«
»Ja! Total! Ich haben alles gelesen von … äh … Edgar Wallace bis … Patricia Highsmith.«
»Das ist so etwa fünfundzwanzig Jahre her, oder?«, hakte mein Lektor mit amüsiertem Unterton nach.
»Ja … Das sind halt … die Klassiker«, stammelte ich. »Aber ich kenn auch die aktuellen Sachen. Henning Mankell und … so.«
Es war wieder still auf der anderen Seite. Ich wusste, dass er mir nicht glaubte. Lügen war noch nie meine Stärke gewesen.
»Okay«, sagte mein Lektor schließlich. »Du bist ein guter Autor. Warum solltest du nicht einen Krimi probieren? Mitunter haben ja die genrefremden Schreiber die interessantesten Herangehensweisen. Aber beim Honorar werden wir
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