Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
schlicht erfunden – auch wenn der Schmuggel mit Branntwein und Tabak bestimmt an der Tagesordnung war. Dafürhaben Sie von der Steinernen Brücke einen hervorragenden Blick auf die zwei Wöhrd-Inseln. Auf dem oberen Wöhrd, der größeren Insel, standen damals tatsächlich Mühlen, Hammer- und Sägewerke, die vom Donaustrom angetrieben wurden. Und die Einheimischen munkeln, dass es einst einen Schmugglertunnel unter der Donau gegeben haben soll, genau wie in meinem Roman.
Stärken Sie sich für Ihren Spaziergang mit Regensburger Bratwürsten – am besten an der berühmten Wurstkuchl, der wohl ältesten Bratwurstküche der Welt. Das kleine urige Wirtshaus liegt direkt neben der Brücke und war schon zu Zeiten Jakob Kuisls ein beliebter Treffpunkt. 1616 wird es zum ersten Mal schriftlich erwähnt. Achten Sie auf die Markierungen an der Hauswand, die die historischen Pegel bei Hochwasser anzeigen. Danach erscheint Ihnen die blaue Donau plötzlich gar nicht mehr so sanft.
An der Donau entlang spazieren wir in westlicher Richtung, bis es links in den Weißgerbergraben geht. Hier am Eck stand vor dreihundert Jahren eine Badestube . Eine geheime Alchimistenkammer existierte dort natürlich nicht, und auch einen verheerenden Brand hat es meines Wissens nicht gegeben. Das alte Haus wurde im 18. Jahrhundert abgerissen. An seiner Stelle entstand ein herrschaftliches Gebäude mit einer Arztpraxis, die bis heute von derselben Familie betrieben wird.
Wir gehen im Weißgerbergraben nach Süden, über den Arnulfsplatz und schließlich rechts in die Jakobsstraße. Weiter stadtauswärts steht das Jakobstor, durch das im Buch der Schongauer Henker die Stadt betritt und wo er über Nacht eingekerkert wird. Nur wenige Schritte davon entfernt befand sich früher die Hinrichtungsstätte. Die ist mittlerweile jedoch längst überbaut.
Weitaus spannender ist die Jakobskirche mit ihrem berühmtenSchottenportal. Wandernde irische Mönche, damals »Scoti« genannt, legten Ende des 11 . Jahrhunderts ihren Grundstein. Noch immer rätseln die Experten über die Bedeutung der unzähligen Relief-Figuren auf dem Portal. Einige von ihnen stellen Ausgestoßene der Gesellschaft dar, wie sie auch in meinen Romanen vorkommen: Dirnen, Gaukler, Bettler, Hexen. Versuchen Sie mal alle zu finden, ich habe dafür eine ganze Weile gebraucht. Während ich sie suchte, wurde mir klar, dass das Ausgestoßensein ein zentrales Motiv des Romans sein würde.
Nach der Überquerung des Bismarckplatzes flanieren wir auf der Gesandtenstraße stadteinwärts. Früher hieß sie auch Scherergasse oder Lange Gasse , hier residierten die Patrizier und später die Gesandten des Reichstags, heute ist sie eine Shoppingmeile. Doch noch immer strahlen die Häuser jene Noblesse aus, die Regensburg zur Zeit des Immerwährenden Reichstages hatte. Das Gebäude an der Gesandtenstraße 2 diente mir übrigens als Vorbild für das Wohnhaus des Stadtkämmerers Paulus Mämminger – eine Figur, die ebenso wie der Regensburger Scharfrichter Philipp Teuber historisch verbürgt ist.
Weiter geht es bis zum Neupfarrplatz , unter dem sich noch immer die Überreste des jüdischen Viertels befinden. 1519 wurden die Juden aus Regensburg vertrieben, ihre Häuser dem Erdboden gleichgemacht und auf dem dadurch freigeräumten Platz eine Kirche errichtet. Die teils miteinander verbundenen Kellergewölbe wurden schlicht vergessen und erst 1995 bei Bauarbeiten wiederentdeckt.
Ziemlich unscheinbar ist der Einstieg zu dem unterirdischen Dokumentationszentrum »document Neupfarrplatz«, das nur mit einem Stadtführer zu besichtigen ist. Erkundigen Sie sich bei der Tourist-Info, es lohnt sich! Die Katakomben bieten einen vertikalen Querschnitt durch fast 2000 Jahre Regensburger Geschichte. Auf römischen Überresten befinden sich die jüdischen Keller, darauf entstand zunächst eine katholische Wallfahrtsstätte und schließlich eine protestantische Kirche. Es folgten im Zweiten Weltkrieg Bunker und schließlich eine öffentliche Toilette, bevor man Ende des 20 . Jahrhunderts die Keller teilweise restaurierte und sogar einen Goldschatz ausbuddelte. Im Roman dienen mir die Katakomben als Schauplatz für das Bettlerversteck. Ich hatte ziemlich lange einen solchen historisch belegten Ort für meine Bettler gesucht. Als ich dann zum ersten Mal dort unten zwischen den Trümmern stand, war ich dementsprechend glücklich. Außerdem gefiel mir die Idee, dass der Bettlerkönig Nathan in den Katakomben
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