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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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dazwischen. »Dass du den Simonmagst, kannst jetzt auch nicht mehr länger verheimlichen. Und nach all dem, was er für dich schon getan hat, wär’s ein himmelschreiendes Unrecht, wenn du dich nun verweigern würdest. Also gib endlich deinen Segen, und dann lass die zwei allein. Hast lange genug den zornigen Brummbären gespielt.«
    Jakob Kuisl sah seine Frau erstaunt und mit offenem Mund an, doch er sagte nichts mehr. Offenbar fehlten ihm die Worte.
    »Dann will ich das junge Glück nicht länger stören.« Ein schmales Lächeln spielte um die Lippen des Schreibers. Schließlich wendete er sich abrupt ab und eilte mit den Wachen auf das Lechtor zu. »Ich erwarte Euch in zwei Stunden im Haus Eures Vaters«, rief er Simon noch nach. »Und nehmt Eure zukünftige Gemahlin mit. Es gibt viel zu tun!«
    Der frischgebackene Bader schmunzelte. Wie so oft hatte Simon das Gefühl, dass Johann Lechner genau das erreicht hatte, was er ohnehin wollte. Dann nahm er Magdalena am Arm und schlenderte mit ihr hoch in die Stadt, wo das Haus seines Vaters lag.
    Als die Verlobten hinter dem Lechtor verschwunden waren, gingen Jakob Kuisl und seine Frau ins Henkershaus und stiegen hinauf in die Kammer, wo die Zwillinge schliefen. Gemeinsam standen sie lange Zeit vor den kleinen Bettchen, hielten sich die Hände und betrachteten ihre beiden Kinder, die ruhig und gleichmäßig atmeten.
    »Sind sie nicht wunderschön?«, flüsterte Anna-Maria Kuisl.
    Jakob Kuisl nickte. »So unschuldig. Und das, wo ihr Papa doch so viele Leut auf dem Gewissen hat.«
    »Dummkopf, die Kinder brauchen dich nicht als Henker,sondern als Vater«, erwiderte sie. »Denk dran, sie haben nur diesen einen.«
    Plötzlich legte sich ein Schatten über Kuisls Gesicht, abrupt ließ er die Hand seiner Frau los und stapfte wortlos die Stiege hinunter. Unten in der Stube setzte er sich auf die Bank unter dem Herrgottswinkel und starrte dumpf vor sich hin. Nur ab und zu ließ er die Knochen seiner Finger knacken.
    Als die Henkersfrau ihren Mann so vor sich hin brüten sah, musste sie unwillkürlich lächeln. Anna-Maria Kuisl kannte die Launen ihres Mannes lange genug. Sie wusste, dass er immer einige Zeit brauchte, bevor er endlich den Mund aufmachte; manchmal dauerte es sogar Tage. Schweigend warf sie Angelica-Wurzel in den steinernen Tiegel und begann, die Pflanze rhythmisch zu zerstoßen. Das Schaben des Stößels und das Prasseln der Flammen waren lange Zeit die einzigen Geräusche im Raum.
    Schließlich wurde es ihr zu bunt. Anna-Maria Kuisl legte den Mörserstößel zur Seite und strich ihrem Mann über die schwarzen Haare, in denen sich die ersten grauen Strähnen zeigten.
    »Was hast denn, Jakob?«, fragte sie leise. »Magst nicht erzählen, was in Regensburg geschehen ist?«
    Der Henker schüttelte langsam den Kopf. »Nicht heut. Das braucht Zeit.«
    Wieder verging eine Weile. Endlich räusperte sich Kuisl und sah seiner Frau direkt in die Augen.
    »Nur eins möchte ich wissen …«, begann er stockend. »Damals in … Weidenfeld, als ich dich das erste Mal gesehen hab …«
    Anna-Maria biss die Lippen aufeinander und wich vor ihm zurück. »Wir wollten nicht mehr drüber reden«, flüsterte sie. »Du hast’s versprochen damals.«
    JakobKuisl nickte. »Ich weiß. Doch es geht nicht anders, weil’s mich sonst zerreißt wie auf der Streckbank.«
    »Also, was willst wissen?«
    »Hat dich von denen jemand angelangt? Du weißt schon, sind sie über dich hergefallen? Der Lettner etwa, diese Drecksau?« Kuisl packte seine Frau an den Schultern. »Bitte sag mir die Wahrheit! War’s der Lettner? Ich schwör, dass sich nichts ändert zwischen uns.«
    Lange herrschte Schweigen, nur das Knistern der Birkenscheite war zu hören.
    »Warum willst du das wissen«, fragte Anna-Maria Kuisl schließlich. »Warum kann nicht alles so bleiben, wie es war? Warum musst du mir wehtun?«
    »Ja oder nein, Himmelherrgottnocheinmal!«
    Anna-Maria Kuisl stand auf und drehte das Kruzifix im Herrgottswinkel um, so dass der hölzerne Jesus die Wand anstarrte.
    »Das muss der Heiland nicht wissen«, flüsterte sie. »Keiner muss das wissen außer uns.« Dann begann sie stockend zu sprechen. Sie ließ nichts aus, ihre Stimme klang hart und monoton wie das Pendel einer Uhr.
    »Weißt du noch, wie ich mich gewaschen hab, danach?«, sagte sie schließlich. Ihr Blick ging ins Leere. »Stundenlang hab ich mich gewaschen. In den eisigen Bächen auf unserem Weg, in den Flüssen, Weihern und Tümpeln.

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