Die Herren der Unterwelt 01 - Schwarze Nacht
überrollen drohten. Er hasste, was er tat und wer er war – und wozu er werden würde, wenn er jemals aufhörte, gegen diese dunklen Sehnsüchte und bösen Träume anzukämpfen.
„Wo ist der Mensch jetzt?“, fragte er. Er würde in die Nacht hinausgehen, auch wenn es ihm eine Menge abverlangte.
„Am Donau-Ufer.“
Das war ein Weg von fünfzehn Minuten, wenn er schnell lief. Es bliebe gerade genug Zeit, um sich eine Waffe zu schnappen, den Menschen zu finden, ihn in Sicherheit zu bringen, falls er unschuldig war, oder ihn zu töten, falls es die Umstände verlangten, und zur Burg zurückzukehren. Wenn ihn irgendetwas aufhielt, würde er im Freien sterben. Jeder, der so dumm wäre, den Hügel zu erkunden, wäre in Gefahr. Denn sobald er den ersten Schmerz verspürte, nahm der Gewaltdämon vollständig von ihm Besitz, und die schwarze Begierde fraß ihn auf.
Dann war es sein einziges Ziel, andere zu vernichten.
„Wenn ich bis Mitternacht nicht zurück bin, sorg dafür, dass die anderen nach meiner Leiche suchen. Und auch nach Luciens und Reyes’.“ Tod und Schmerz suchten ihn jede Nacht pünktlich um Mitternacht heim, ganz egal, wo Maddox sich aufhielt. Schmerz versetzte ihm die Stiche, und Tod begleitete seine Seele in die Hölle, wo sie bis zum nächsten Morgen in den Flammen schmorte und von Dämonen gequält wurde, die fast genauso abscheulich waren wie sein eigener.
Leider konnte Maddox unter freiem Himmel nicht für die Sicherheit seiner Freunde garantieren. Er könnte sie verletzen, ehe sie ihre Aufgabe erledigt hatten. Und wenn er sie verletzte, wäre der Schmerz darüber nicht schwächer als die Qualen, die er jede Nacht um Mitternacht erfuhr.
„Versprich es mir“, verlangte er.
Torin nickte. Sein Blick war finster. „Sei vorsichtig, mein Freund.“
Mit eiligen Schritten verließ Maddox das Zimmer. Als er den Flur zur Hälfte durchquert hatte, hörte er Torin rufen: „Maddox! Vielleicht möchtest du dir das hier noch ansehen.“
Er machte kehrt und wieder packte ihn die Furcht. Was jetzt? Konnte es noch schlimmer kommen? Als er vor dem Monitor stand, wandte er sich Torin zu und zog eine Augenbraue hoch, ein stummer Hinweis, sich zu beeilen.
Torin machte mit dem Kinn eine kurze Bewegung zum Bildschirm. „Sieht so aus, als wären noch vier weitere dort. Alles Männer … oder Amazonen. Die waren aber vorhin noch nicht da.“
„Verflucht.“ Maddox betrachtete die vier neuen roten Blitze, von denen einer größer war als der andere. Sie kreisten den kleinen Blitz ein. Es konnte also in der Tat noch schlimmer kommen. „Ich kümmere mich um sie“, versprach er. „Um alle.“ Er setzte sich von Neuem in Bewegung, wenn auch verhaltener als zuvor.
In seinem Schlafzimmer angekommen, ging er direkt zu seinem Schrank. Dabei kam er an dem Bett vorbei, dem einzigen Möbelstück im Raum. In verschiedenen Gewaltausbrüchen hatte er Kommode, Spiegel und Stühle zerstört.
Einmal war er so dumm gewesen, einen Zimmerspringbrunnen, Pflanzen, Kreuze und andere Dinge aufzustellen, die für eine friedliche Atmosphäre sorgen und die Nerven beruhigen sollten. Doch nichts von alledem hatte geholfen, und er hatte alles innerhalb weniger Minuten entzweigeschlagen, als sein Dämon mal wieder Besitz von ihm ergriffen hatte. Seitdem beschränkte er sich auf einen, wie Paris es nannte, minimalistischen Stil.
Er hatte nur deshalb noch ein Bett, weil es aus robustem Metall war und weil Reyes irgendetwas brauchte, woran er ihn festketten konnte, wenn die Geisterstunde näher rückte. In einem Nebenzimmer lagen reichlich Matratzen, Bettlaken, Ketten und Kopfteile aus Metall bereit. Nur für den Fall der Fälle.
Beeil dich! In Windeseile zog er sich ein schwarzes T-Shirt und Stiefel an und befestigte Dolche an Handgelenken, Hüfte und Knöcheln. Keine Schusswaffen. In einer Sache waren er und der Dämon der Gewalt sich einig – der Feind musste im Nahkampf sterben.
Wenn sich einer der Menschen da draußen als Jäger oder Köder entpuppen sollte, konnte ihn jetzt nichts mehr retten.
2. KAPITEL
A shlyn Darrow fröstelte in dem kalten Wind. Die hellbraunen Haarsträhnen peitschten ihr in die Augen, und sie strich sie mit zitternden Händen hinter ihre Ohren. Nicht, dass sie dadurch mehr gesehen hätte. Die Nacht war pechschwarz und nebelig, und es schneite. Nur das manchmal zwischen den Wolken aufblitzende silberne Mondlicht schenkte ihr ein wenig Orientierung.
Wie konnte eine so schöne Landschaft dem
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