Die Herren der Unterwelt 02 - Schwarzer Kuss
du mich nicht eigentlich angreifen? Stehe ich nicht ganz oben auf deiner Liste der Leute, die du ermorden sollst?“
„Später. Im Moment habe ich zu tun.“ Er hörte, wie sie sich bewegte. Er nahm wahr, dass ein Stein von irgendwo herabfiel. Er wollte sich umdrehen. Aber er tat es nicht. Wenn er sie noch einmal anschaute, würde er vielleicht nie mehr seinen Blick abwenden können. Er würde sie umbringen, wie sie sagte, aber er würde es so tun, dass sie keine Schmerzen dabei empfand. Und er würde sie küssen, so, wie es der Tod von ihm verlangt hatte. Immer wieder würde er sie küssen. Bis sie ihre Kleider abgeworfen hatten und er in ihr pulsierte.
Bei diesem Gedanken wurde er so hart, dass er das Gefühl hatte, er würde platzen.
„Lucien!“ Paris rief von außerhalb des Tempels nach ihm. Er klang angestrengt.
Er richtete sich auf, ohne Anya anzusehen. „Ja?“
„Ich rieche eine Frau. Deine Frau.“
„Bleib, wo du bist.“ Lucien wollte nicht, dass die anderen ihn in diesem Zustand sahen. „Das gilt für alle. Sucht lieber nach einem Hinweis auf die richtige Spur.“
Paris murmelte undeutlich etwas vor sich hin. Strider rief: „Du Hurensohn hast vielleicht ein Glück!“
Weder Amun noch Gideon sagten etwas.
„Ich nehme an, dass sie sich nicht darum kümmern werden.“ Anyas Stimme klang sachlich.
Lucien hasste es, wenn er nicht aus ihr schlau wurde. Er nahm an, dass das ihr Weg war, sich davor zu schützen, verletzt zu werden. Von ihm verletzt zu werden.
„Also, ihr Jungs sucht nach Artefakten, hm?“
„Tu nicht so, als wüsstest du das nicht. Schließlich hast du uns hierher geschickt.“ Er ging noch einmal in die Knie und schob einen silberglänzenden Stein beiseite, um Kieselsteine und eine halbe Miesmuschel darunter hervorzuholen. Er knirschte mit den Zähnen. Warum war er so ungeduldig und benahm sich wie ein Idiot? Welcher erwachsene Krieger spielte mit Sand?
„Dieser Tempel ist vor Tausenden von Jahren vom Meer überschwemmt worden. Wahrscheinlich hat das Salzwasser alle Spuren der Vergangenheit fortgewaschen.“ Er merkte, dass Anya ihn dabei ansah.
„Vielleicht ist aber noch etwas übrig geblieben.“ Er musste daran glauben, dass es so war, denn sonst wäre alles sinnlos gewesen.
„Ich dachte, deine tolle Ashlyn hat dir erzählt, dass die Büchse von der Hydra bewacht wird.“ Dieses Mal klang ihre Stimme gehässig.
Ja, Ashlyn hatte etwas während ihrer Reisen mit dem World Institute of Parapsychologie von der Hydra gehört. Aber warum klang Anya so verächtlich? Zuvor hatte sie Ashlyn noch geholfen, und es hatte den Anschein gehabt, sie hätte sie gemocht. Macht nichts, ist egal.
In verschiedenen Quellen hieß es, die Hydra habe viele Köpfe und einen Atem, der giftig war. Angeblich hatte Herkules sie im Sumpf von Lerna besiegt. Aber Ashlyn hatte behauptet, dass Hydra in den letzten Jahren gesehen worden sein sollte. Immer an verschiedenen Orten – in der Arktis, in Ägypten, in Afrika, Schottland und sogar in den USA. Die Menschen nannten sie das Ungeheuer von Loch Ness, den Yeti oder auch noch anders. Sterbliche begriffen nie, was direkt vor ihrer Nase geschah.
Einerseits wollte Lucien diesen Tempel am liebsten sofort verlassen und an einem dieser Orte nach der Hydra suchen. Denn wenn er sie gefunden hatte, konnte er vielleicht auch die Büchse der Pandora finden. Vielleicht konnte er die Schatulle endlich zerstören und damit die Jäger – und schließlich auch die Götter – davon abhalten, die Dämonen weiter einzusperren und ihn und die anderen Lords zu töten.
Aber neugierig wie er war, blieb Lucien im Tempel. Die Titanen hatten diese heilige Stätte aus verschiedenen Gründen erbaut. Sie hatten geplant, durch diesen Ort die menschlichen Wesen dazu zu bringen, Götter wieder anzubeten und ihnen Opfergaben zu reichen. Aber es gab noch etwas anderes. Es musste noch etwas anderes geben. Warum waren sonst die Jäger so fleißig gewesen?
„Ich liebe es, auf Schatzsuche zu gehen“, sagte Anya, um wieder auf sich aufmerksam zu machen. „Das ist so aufregend.“
„Du bist nicht gerade eine Hilfe.“
Sie schwieg. Dann stand sie plötzlich direkt neben ihm. Ihr Haar berührte seinen Arm. Er hatte vor etwa einer Stunde sein Hemd ausgezogen, denn die Sonne hatte zu heiß gebrannt. Der Schweiß lief über die Muskelstränge an seinem Bauch. Lucien knirschte mit den Zähnen, so verführerisch war es, ihr derart nah zu sein.
„Warum kann ich euch nicht
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