Die Herren der Unterwelt 02 - Schwarzer Kuss
auf sie gehabt, und obwohl sie verdammt war, hatte sie sich mit vielen Männern getroffen! Sie hatte sich immer mit Sterblichen verabredet, um sich mit ihnen zu amüsieren. Von ihnen hatte sie die Komplimente bekommen, die ihr die Götter versagt hatten. Dennoch hielt das gute Gefühl stets nur für kurze Zeit an, denn diese Männer waren meistens so schnell in ihrer Erinnerung verblasst, wie sie sich das bei Lucien wünschte. Diejenigen, die ihr mehr bedeutet hatten, waren zu Freunden geworden, auch wenn sie sich geweigert hatte, mit ihnen zu schlafen.
Dann waren sie einer nach dem anderen gestorben. Auch wenn die Freundschaften nicht sehr eng gewesen waren, hatte sie dieser Verlust geschmerzt. Die Tatsache, dass ihre Freunde menschliche Wesen waren, war eine Schwäche, die sie mit der Zeit zu verachten lernte. Dann hatte sie beschlossen, sich nicht mehr mit Menschen zu treffen. Lange Zeit war das gut gegangen, aber in manchen Nächten war sie so einsam gewesen, dass sie sich dabei ertappte, einen Teddybären an sich zu drücken, den sie bei der Eröffnung eines großen Spielzeugmarktes gestohlen hatte.
Aber mit Lucien war sie nicht einsam. Es war aufregend, mit ihm zusammen zu sein. Jeder Moment gemeinsam mit ihm war eine Überraschung. Und jetzt wollte er nichts mehr mit ihr zu tun haben!
Grrrr! Von nun an wollte sie nicht mehr an ihn denken. Sie würde ihm fernbleiben. Wenn schon, dann sollte er zu ihr kommen. Früher oder später musste er das sowieso tun, wenn er Cronus’ Befehl ausführen wollte. Jedoch war Geduld nicht gerade Anyas Stärke, und trotz allem bemerkte sie, dass sie sich während des Tages danach sehnte, ihn zu sehen.
„Ich bin nicht nur eine Idiotin, ich bin eine verdammte Idiotin.“ Als sie Lucien beim Kampf beobachtete, war er für sie der erotischste Mann gewesen, den sie jemals gesehen hatte. Wirklich. Seine Kraft war tödlich … in ihm steckte der Tod schlechthin, er bewegte sich schnell und elegant, während er die Dolche zückte. Im Kampf glühten seine braun-blauen Augen, und er war wild entschlossen, seine Gegner auf immer und ewig in die Hölle zu schicken. Zu jenem Zeitpunkt war das unwiderstehlich gewesen!
Und er war es immer noch.
Es gefiel ihr, mit ihm beziehungsweise gegen ihn zu kämpfen. Sie war gern mit ihm zusammen und langweilte sich, wenn er nicht da war.
So war es einfach. Aber das passte alles nicht zusammen. So ernst er auch war, langweilig war er nie. Er brachte sie zum Lachen, forderte sie heraus und sorgte dafür, dass sie sich lebendig fühlte. Das war seltsam, war er doch vom Tod selbst besessen.
Hatte er Gefühle für sie? Empfand er noch etwas anderes für sie außer Geringschätzung und Verwunderung? Falls das der Fall war, dann verbarg er es gut. Außer wenn sie sich küssten. Dann war er ein ganz anderer Mann – leidenschaftlich und zärtlich, ein bisschen wild. Er küsste mit seinem ganzen Körper, er hüllte sie mit seinem Verlangen und seinem Rosenduft ein.
Wem will ich hier eigentlich etwas vormachen? Ich gehe doch wieder zu ihm zurück.
Cronus hatte eine gute Wahl getroffen, was ihren Todesboten anging. Sie konnte ihm nicht fernbleiben und wollte in seiner Nähe sein. Vielleicht ließ sie sogar zu, dass er versuchte, sie umzubringen, und sei es nur, um als Gegenleistung einen letzten Kuss zu bekommen.
„Das kann sogar ganz lustig werden“, murmelte sie und wurde rot.
Bevor Lucien auf die griechische Insel zurückkehren konnte, musste er einige Menschenseelen in den Himmel begleiten. Es ging um die Seelen zahlreicher Unfallopfer. Die Menschen waren in den USA auf dem Weg zu einem Kirchenfest bei einem Busunglück gestorben. Der Fahrer des anderen Wagens war betrunken gewesen. Bei dem Unfall waren alle Insassen des Busses ums Leben gekommeen. Was für eine Tragödie! Gott sei Dank war Lucien inzwischen so abgestumpft, dass ihn nicht mal das Schicksal der Kinder noch berührte. Das war traurig, aber er hatte keine andere Wahl. Er hatte so viel mit dem Tod zu tun, dass es ihn nur fertig machen würde, wenn er sich alles zu Herzen nahm.
Du bist ohnehin schon am Ende, so viel wie du an Anya denkst.
Lucien wusste, dass Anya auch auf der Insel war, denn die leichte Brise, die nach Erdbeeren und Sahne roch, konnte nur von ihr stammen. Sein Dämon reagierte sofort darauf.
Du willst sie küssen.
Lucien war nicht überrascht. Gleichgültig, welche Frau ihn ansprach, der Tod schnurrte immer wie ein kleines Kätzchen. Das war etwas, was er immer
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