Die Herren der Unterwelt 02 - Schwarzer Kuss
machte ihm nichts aus. Im Gegenteil, er wurde stärker durch ihn.
Töten.
Er musste aus diesem Gefängnis entkommen. Ich bin Gefangener in meinem eigenen Haus. Der Blutdurst hatte ihn fest im Griff. Er war ihm so ausgeliefert, dass er die Welt nur in einem rötlichen Schimmer wahrnahm. Jedes Mal, wenn er aß, sah er sich gleichzeitig Danikas Kehle mit einem Messer durchschneiden, dann die ihrer Schwester, ihrer Mutter und ihrer Großmutter. Er konnte weder atmen, noch sich bewegen oder schlafen, ohne es sich vorzustellen. Töten.
So lange Zeit hatte er gehofft und gebetet, dass er diese Mordlust loswerden würde. Aber jeden Tag wurde das Bedürfnis größer. Seine Freunde besuchten ihn nicht mehr im Gefängnis. Er bekam sein Essen nur auf einem Tablett durch eine Klappe geschoben. Keiner sprach mit ihm. Es war, als hätten sie ihn abgeschrieben.
Töten. Töten. Er musste aus diesem Verlies entkommen. Er musste zerstören. Dann würde dieses Bedürfnis nachlassen. Das wusste er. Und ach, fast konnte er den Geschmack in seinem Mund spüren, den diese Morde hinterlassen würden. Ja, er musste hier raus.
Er konnte nicht länger warten. Er ertrug es nicht mehr, auf Frieden zu hoffen. Er musste tun, was nötig war. Er musste seinen Auftrag erfüllen.
Aeron starrte durch die Gitter hindurch. In seinen Gedanken formte sich ein Plan. Er grinste. Bald …
10. KAPITEL
Anya konnte es nicht fassen, dass Lucien gerade versucht hatte, sie umzubringen. Wirklich umzubringen, nicht nur im Spaß. Ja, sie wusste, dass er dazu verdammt war, es zu tun. Und ja, er hatte behauptet, es auch durchzuziehen. Und ja, er hatte es schon zuvor versucht.
Aber die ersten Versuche waren alle nur halbherzig gewesen. Jetzt war es anders. Er hatte tatsächlich versucht, sie zu erstechen. Sie zu töten. Für immer. Unwiderruflich. Wenn sie sich nicht einfach teleportiert hätte, wäre er ihm gelungen, ihr den Kopf abzutrennen. Und jetzt war er ihr auf den Fersen, immer noch davon besessen, sie umzubringen.
Sie war verletzt und wütend. Sie versuchte, ihn loszuwerden, indem sie sich von einem Ort an den anderen teleportierte. Mittlerweile konnte sie nicht mehr klar sehen, so schnell war sie. Noch heute Morgen war sie mit ihm shoppen gegangen, und sie hatten miteinander gelacht! Sie hatte ihm sogar von dem Schlüssel erzählt. Zum ersten Mal schien er ihre Anwesenheit genossen zu haben! Und darüber hinaus hatte er ihr versprochen, sie mit in die Arktis zu nehmen.
Und jetzt hatte er versucht, sie zu töten.
Die Wut pulsierte heiß in ihren Adern. Der Schmerz raubte ihr den Atem. Wie konnte er es wagen! Sie war immer nur nett zu ihm gewesen.
Sie kniff die Augen zusammen. Nun, die Zeiten waren jetzt vorbei. Jetzt würde sie ihn töten. Sie wollte ihn nicht mehr. Sie wollte ihn nicht noch ein einziges Mal küssen, oder sich vorstellen, wie es wäre, ihn an ihrer Seite zu haben. Aufgebracht teleportierte sie sich zurück in ihre Wohnung in der Schweiz. Schnell zog sie sich ein schwarzes T-Shirt und schwarze Stretchhosen über, auf denen Luciens Blut nicht so zu sehen sein würde. Sie ließen sich leicht waschen, und die Flecken würden sie nicht noch jahrelang daran erinnern, was sie ihm angetan hatte. Dann teleportierte sie sich an zwei weitere Orte, um Waffen abzuholen.
Sobald sie ihre Waffen eingesammelt hatte – Messer, Wurfsterne und ein Elektroschockgerät, kehrte sie zurück in sein Haus auf den Kykladen. Sie wollte Lucien nicht einfach nur töten, sie wollte ihn mit Elektroschocks zu Tode foltern, bevor sie ihn mit einer Elektrosäge wie eine Weihnachtsgans in Scheiben schnitt.
Er war nicht da. Wahrscheinlich suchte er sie noch.
Aber früher oder später würde er auftauchen.
Sie machte sich bereit. Die Beine schulterbreit auseinander, die Hände an der Hosennaht. Er konnte kommen … sie wartete …
Kaum eine Sekunde später stand er vor ihr. Sein wunderbar zerfurchtes Gesicht verriet keine Regung. Als sie ihn sah, erinnerte sie sich daran, was sie mit ihm vorhatte, und grinste gemein. Dir zahle ich es heim …
„Anya.“
Anstatt ihn anzugreifen, teleportierte sie sich in sein Zimmer in Buda. Dort sammelte sie die Ketten ein, in die er sie gelegt hatte, dann flog sie auf den Gletscher in der Arktis. Sie schlug die Ketten wie einen Gürtel um ihre Hüften.
„Mistkerl.“ Der kalte Wind schnitt durch die Kleidung in ihre Haut. Lucien hatte nicht gewusst, dass sie die einzige Unsterbliche war, der Ketten nichts anhaben konnten.
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