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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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sehen«, meinte Aldo sehnsüchtig. »Ich bin noch nie einem begegnet. Wisst Ihr, wo er jetzt ist, Euer Freund?«
    »Das Letzte, was ich weiß«, sagte Kim, »ist, dass er in seine Heimat zurückgekehrt ist, wie auch Burin – ich meine Burorin, wie er als Zwergenfürst jetzt heißt. Aber vielleicht, wenn wir Glück haben, siehst du sie in Magna Aureolis bei der Krönung.«
    Als der Wind weiter auffrischte, packten sie ihren Essenskorb wieder ein und fuhren weiter.
    Am Nachmittag drehte der Wind; er kam jetzt von Westen her und brachte den salzigen Geruch des Meeres mit sich.
    »Es könnte Nebel geben«, sagte Kim mit einem prüfenden Blick auf die Sonne. »Wenn das Land aufgeheizt ist und das Meer eine kalte Strömung mit sich bringt, trägt der Wind oft den Dunst meilenweit ins Land. Das könnte unangenehm werden.«
    Doch seine Bemerkung von vorhin hatte nun wohl die Schleusen von Aldos Neugierde geöffnet.
    »Wie war das, als Ihr das letzte Mal hier durchgekommen seid?«, fragte er. »Mit dem Elbenprinzen und dem Zwergenfürsten und mit Herrn Fabian – dem Kaiser?«
    Aus dem Blick sprach so viel unverhohlene Heldenverehrung, dass Kim sich verpflichtet fühlte, dem einen Dämpfer aufzusetzen. »Nun, damals war er noch nicht Kaiser. Und es war mehr eine Flucht als eine Reise, und vor allem war es nass. Es hat die ganze Zeit geregnet, und ich wundere mich heute noch, dass ich keinen Schnupfen gekriegt habe. Ein Marsch bei Regen und Wind mit ungewissem Ziel, von Bolgs und Dunkelelben gejagt, unter dem Schatten des Krieges – wenn es das ist, was du dir als ein großes Abenteuer vorstellst, dann war es eines.«
    Doch der Junge ließ sich nicht unterkriegen. »Ich wäre trotzdem gern dabei gewesen. Ich habe die Bolgs gesehen«, fuhr er eifrig fort, »damals, in Aldswick. Obwohl – von Bolgs gejagt zu werden, das stelle ich mir schlimm vor. Was würdet Ihr tun, wenn hier eine Horde Bolgs auftauchen würde? Würdet Ihr kämpfen, mit Eurem Schwert?« Sein Blick ging zu der Waffe, die Kim in einer abgewetzten Scheide an seinem Gürtel trug.
    »Kämpfen? Mit meinem Knipper hier?« Kim zog die Klinge aus der Scheide. »Für einen Ffolksmann ist es ein Schwert, für einen Bolg das größte Küchenmesser der Welt. Ich glaube nicht, dass ich damit viel ausrichten könnte. Eher würde ich wohl unseren grauen Freund hier den Bolgs zum Fraß vorwerfen und das Weite suchen.«
    Der Esel warf ihm einen bitterbösen Blick über die Schulter zu, als hätte er verstanden. Kim steckte das Kurzschwert wieder weg.
    »Ich frage mich sowieso, was aus den ganzen Bolgs geworden ist«, meinte Aldo. »Sie können doch nicht alle in der Schlacht gestorben sein. Es würde mich nicht wundern, wenn einige noch hier herumlungern.«
    »Es war ausgemacht, dass die Legionen des Kaisers die Küstenstraße sichern sollten. Aber bislang ist uns noch keine Patrouille begegnet. Nun, was nicht ist, kann ja noch werden.«
    Doch an diesem Nachmittag begegneten sie niemandem mehr, keinem Ffolksmann, geschweige denn einem Menschen. Die Sonne verhüllte ihr Gesicht hinter einem Dunstschleier, und in der gedämpften Helle lag das ganze Land da, als bewege sich nichts mehr darin. Gewiss, die großen Landgüter lagen ostwärts weitab von der Straße, aber dass sie auf gar keine lebende Seele mehr trafen, machte Kim die Sache allmählich ein wenig unheimlich. Er bemühte sich, dies vor seinem jungen Begleiter zu verbergen, und machte keine Bemerkungen mehr über Bolgs oder dergleichen.
    Am Abend schlugen sie ihr Lager in einem kleinen Gehölz auf, südlich der Stelle, wo der Weg Richtung Winder abzweigte.
    Aldo erwies sich als sehr geschickt, als es darum ging, das Zelt aufzubauen, was Kim ohne fremde Hilfe nie zu Stande gebracht hätte. Dann errichtete er ein kleines Lagerfeuer, und bald schon brodelte Wasser in einem Kessel.
    »Du bist sehr geschickt in praktischen Dingen«, bemerkte Kim, als sie, gesättigt aus dem schier unerschöpflichen Fundus von Frau Metas Picknickkorb und gewärmt von einem Becher Tee, den Kim aus einer Branntweinflasche zusätzlich gewürzt hatte, am Feuer saßen.
    »Das hat mir alles Karlo beigebracht, mein Bruder«, erklärte Aldo.
    »Karlo?« Kim hatte den ältesten Sohn Mart Kreuchauffs immer nur als einen tumben Klotz in Erinnerung, der für nichts zu gebrauchen war. »Ich wusste gar nicht, dass er so was kann.«
    »Oh, er ist sehr begabt in allem, was er mit den Händen tun kann. Nur reden kann er nicht – oder mit Zahlen umgehen.

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