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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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eine Aufgabe wahrzunehmen, wo er mehr für das Gemeinwohl tun könnte als irgendwo sonst. Mit Davison war schwer zu diskutieren; vor allem, weil Strong ihm so viel schuldig war. Am 5. Oktober 1914 gab die Federal Reserve Bank of New York bekannt, dass Benjamin Strong zu ihrem ersten Gouverneur gewählt worden war.
    5. L’Inspecteur des Finances
    Frankreich: 1914
    Es gibt keinen Spießbürger auf der Welt,
der sich in der Drangzeit seiner Jugend nicht wenigstens
einen Tag oder eine Minute lang für fähig gehalten hat,
Heldentaten zu vollbringen … im Herzen
jedes Notars liegen die verschimmelten Reste eines Poeten.
    Gustave Flaubert, Madame Bovary
    In diesem Sommer in Paris beschäftigte sich Aimé Hilaire Émile Moreau, Generaldirektor der Banque d’Algérie et Tunisie, der Zentralbank der französischen Kolonien Algerien und Tunesien, wie jeder andere Franzose mit der Affäre Caillaux. Es handelte sich um den letzten einer langen Kette von Skandalen, die die Politik der Dritten Republik ausgeschmückt und die französische Öffentlichkeit so prächtig unterhalten hatten. Anfang 1914 hatte die konservative Tageszeitung Le Figaro eine Kampagne gegen die Einführung einer Einkommensteuer durch Joseph Caillaux gestartet, der Finanzminister und Führer der Radikalen Partei war. Auf der Titelseite druckte die Zeitung einige jugendlich geprägte Liebesbriefe von Caillaux an eine frühere Freundin ab, die damals bereits verheiratete Berthe Gueydan. Sie ließ sich später von ihrem Mann, einem hohen Beamten, scheiden und wurde die erste Madame Caillaux. Seit diesem Briefwechsel war viel geschehen. Nach seiner Hochzeit mit Berthe hatte Caillaux eine weitere Affäre mit einer verheirateten Frau begonnen, der groß gewachsenen, aschblonden Henriette Claretie, die er nach der Scheidung von Berthe ebenfalls heiratete.
    Im März 1914 nahm die zweite Madame Caillaux die Dinge selbst in die Hand. Sie war außer sich vor Zorn, dass die Affären ihres Mannes, auch die, die vor ihrer Zeit stattgefunden hatten, auf so skandalöse Weise publiziert wurden. Vielleicht befürchtete sie auch, ihre eigene ehebrecherische Korrespondenz könnte in der Presse auftauchen. Am 16. März verließ sie gegen 15.00 Uhr ihr Haus; auf das Eleganteste gekleidet, denn am Abend sollte ein Empfang in der italienischen Botschaft stattfinden. Unterwegs machte sie Halt bei Gastinne Renette, dem elitären Waffengeschäft am rechten Ufer der Seine. Sie kaufte eine automatische Browning-Pistole, ging weiter zur Redaktion von Le Figaro und wartete dort eine Stunde lang auf Gaston Calmette, den Herausgeber der Zeitung. Als er eintraf, erklärte sie ihm: »Sie wissen, warum ich gekommen bin« und feuerte aus der Pistole, die sie in ihrem teuren Pelzmuff verborgen hatte, aus nächster Nähe und in aller Ruhe sechs Kugeln auf ihn ab. Calmette war auf der Stelle tot.
    Der Skandal teilte Frankreich in zwei Lager; er führte in Paris sogar zu Schlägereien zwischen Anhängern von Caillaux und Agitatoren aus der politischen Rechten, die gegen den Sittenverfall in der herrschenden Klasse des Landes protestierten.
    Der Gerichtsprozess begann am 20. Juli, er dominierte die Schlagzeilen sämtlicher Zeitungen und schlug die ganze Stadt in seinen Bann. Die Pariser, so hatte es den Anschein, interessierten sich wesentlich mehr für diese melodramatische Mischung aus Ehebruch und moralischem Verfall in hohen politischen Kreisen, für Joseph Caillauxs ausgedehntes Netzwerk von Liebhaberinnen, für seine Verführung der zuvor eher einfältigen, schüchternen und zurückgezogen lebenden Henriette Caillaux als für weit entfernte Unruhen auf dem Balkan.
    Für Moreau hatte der Prozess eine besondere Bedeutung. In den frühen 1890er-Jahren war Caillaux sein Professor an der École Libre des Sciences Politiques gewesen. Caillaux war damals ein aufstrebender, glamouröser junger Mann, reich, verschwenderisch und als inspecteur des finances Mitglied des elitären Verwaltungszirkels, den Napoleon zur Überwachung der finanziellen Angelegenheiten des Staates gegründet hatte. Die École Libre des Sciences Politiques – Sciences Po, wie sie damals und heute genannt wurde – war eine teure Privatschule für Graduierte, die 1872 nach dem Krieg zwischen Frankreich und Preußen gegründet worden war. Ihr Gründer wollte eine hochmoderne Ausbildungsstätte für die neue herrschende Elite Frankreichs schaffen. Sie sollte in der Lage sein, den »demokratischen Exzessen« in den ersten

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