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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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dorthin geschickt, sondern zur Banque d’Algérie, der Zentralbank für Algerien und Tunesien, die im Vergleich zur Banque de France oder den anderen großen staatlichen Banken eher unbedeutend war. Für einen ehrgeizigen jungen Beamten aus dem Finanzministerium, der sich bis ins Zentrum der Macht vorgekämpft hatte, war dies eine Art von Exil. Es war aber auch nicht so schlimm, wie es klingt, denn Algerien hatte unter den französischen Besitzungen einen Sonderstatus, und das Hauptquartier der Bank lag mitten im politischen Paris am Boulevard Saint Germain 207, einen Steinwurf entfernt von der Nationalversammlung und vom Außenministerium.
    Die Banque d’Algérie war zwar in Privatbesitz, aber dennoch eines der wichtigsten Organe der Kolonialpolitik. In den folgenden acht Jahren spielte Moreau, der 1911 zum Generaldirektor befördert worden war, eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Weinbaus in Algerien, kämpfte an vorderster Front gegen den verbreiteten Wucher unter den Berbern in Tunesien und arbeitete eng mit dem späteren Marschall Lyautey als Militärgouverneur von Marokko zusammen, um während der militärischen Besatzung öffentliche Investitionen und die Kolonisierung Marokkos zu fördern. Er war mehr als ein Bankier und sah sich selbst auch so: Er war ein Staatsdiener. Im Januar 1914 wurde er zum Kommandeur der Ehrenlegion ernannt; eine Auszeichnung, die auf 1 250 lebende Personen beschränkt war und ist.
    Aber trotz aller dieser Errungenschaften war die Banque d’Algérie doch mehrere Nummern zu klein für einen derart ehrgeizigen und talentierten Beamten. Seine früheren Kollegen im Ministerium leiteten nun nicht bloß die Finanzen einer Kolonie, sondern die eines ganzen Landes und seines Kolonialreichs. Wenn er an das zurückdachte, was ihm passiert war, fühlte er Verbitterung – er stand in seiner Position seit acht Jahren auf dem Abstellgleis, und offenbar hatte man ihn vergessen.
    Vielleicht war Moreau zu hoch und zu schnell aufgestiegen, was bei seinen Kollegen Ressentiments ausgelöst hatte. Vielleicht war er auch anders als sie: Ein Mann weniger Worte, kurz angebunden und fast unhöflich, der keinen Versuch unternommen hatte, in die Gesellschaft der Salons aufgenommen zu werden, der weder die Ausstrahlung noch die Grazie eines höheren Pariser Beamten besaß. Er war durch und durch ein Mann aus der Provinz, und er war stolz darauf, dass er das geblieben war. 1908 war er zum Bürgermeister seines Heimatortes Saint Léomer gewählt worden. Es war ein Dorf mit wenigen Hundert Einwohnern, aber er ergriff jede Chance, dorthin zu fahren. Sein Gut, La Frissonaire, war seit 1600 im Familienbesitz. Dort fühlte er sich am wohlsten, bei den Freunden, mit denen er aufgewachsen war, bei den anderen Landbesitzern, den örtlichen Notaren und Richtern.
    In jedem anderen Jahr hätte Moreau während der letzten Juliwoche gespannt auf das Rundschreiben des Landwirtschaftsministers gewartet, in dem die Daten der Jagdsaison festgelegt wurden. Es war ihm wichtig, jedes Jahr zu Saisonbeginn in La Frissonaire zu sein. Wie er gern sagte, gab es auf dem Gut gerade genug Wachteln, Rebhühner und Kaninchen, »um die Jagd spannend zu halten, aber nicht so viele, um sie langweilig zu machen.« Aber als der Juli endete und der August begann, wurde klar, dass er in diesem Jahr die Jagdwaffen im Schrank lassen musste, obwohl das Wetter perfekt gewesen wäre.
    Am Montag, dem 27. Juli, gab es einige Anzeichen, dass die Balkankrise alarmierende Ausmaße anzunehmen begann. Selbst in den Pariser Zeitungen wurde Madame Caillaux immer mehr von den Titelseiten verdrängt. Normalerweise versammelte sich an jedem Abend eine Menschenmenge auf dem Boulevard Poissonière vor den Redaktionsräumen von Le Matin , dem beliebtesten französischen Massenblatt, in dessen Fenstern die neuesten Bekanntmachungen ausgehängt waren. Dabei kam es auch zu den unvermeidlichen Schlägereien. Aber nun standen da nicht mehr nur die Gegner und die Anhänger von Caillaux. Nun gab es Streit über die nationale Sicherheit zwischen den Gegnern einer Verlängerung des Militärdienstes und den Partisanen des Réveil National, der neuen patriotischen Bewegung.
    Zudem begannen Goldmünzen auf geheimnisvolle Weise aus dem Zahlungsverkehr zu verschwinden. Die Franzosen hatten sich schon bei zwei katastrophal verlaufenen Experimenten mit Papiergeld die Finger verbrannt – einmal im frühen 18. Jahrhundert während der berüchtigten

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