Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Gold auf einen Kontinent schaffen, wo nun Krieg herrschte? Die Versicherungsprämien für private Transporte waren über Nacht auf unerschwingliche Höhen geschnellt. Strong überzeugte die Regierung davon, privates Gold auf einem Kriegsschiff zu transportieren, und am 16. August verließ der Kreuzer Tennessee den Marinehafen Brooklyn mit 7,5 Millionen Dollar in Gold an Bord.
Das war Strongs Stärke. Verantwortung übernehmen, um unmittelbare und praktische Probleme zu lösen, selbst wenn das sehr schwierig war. Er war der geborene Anführer. Er hatte vielleicht nicht die geschliffene, kosmopolitische Grazie einiger Partner bei Morgan, aber die Menschen mochten ihn und wussten seine dominante Persönlichkeit zu schätzen. An der Wall Street kannte und bewunderte man ihn. Wo immer er saß, war der Kopf der Tafel, sagte ein Zeitgenosse. Aber nur wenige Menschen konnten von sich sagen, ihn gut zu kennen, und manchmal zeigte sich hinter der geselligen und umgänglichen Fassade auch eine dunklere Seite. Ein Kollege bezeichnete ihn als »Jekyll-und-Hyde-Persönlichkeit; in der Regel höflich, aber manchmal auch mit schrecklichen Wutausbrüchen.« Diese Anfälle mit intensivem und erstaunlichem Zorn ließen kurze Blicke auf die Schmerzen und Sorgen zu, die er ansonsten gut verborgen hielt.
In diesem August, während er ständig zwischen New York und Washington pendelte, bot man Strong erstmals an, Gouverneur der neu gegründeten Federal Reserve Bank of New York zu werden. Wäre Aldrichs Plan einer einzigen Zentralbank verwirklicht worden, dann hätten die führenden Finanziers von New York wie Davison und Vanderlip Strong schon längst als deren möglichen Leiter ausgewählt. Jetzt, unter dem Federal Reserve System mit mehreren Reservebanken und einem Verwaltungsrat in Washington, kamen sie zu dem Schluss, er wäre als Leiter der Federal Reserve Bank of New York am effektivsten und nützlichsten für sie. Von den zwölf regionalen Reservebanken, die das neue Gesetz vorsah, sollte die in New York die größte sein. 7 Sie sahen richtig voraus, dass die New Yorker Fed – ihre Reservebank – wegen ihrer Größe und Expertise das System höchstwahrscheinlich dominieren würde.
Er war die perfekte Wahl. Seine Karriere als Bankier war makellos, und während der Panik von 1907 hatte er seine Feuertaufe bestanden. Nachdem er am Entwurf einer amerikanischen Zentralbank auf der Insel vor Georgia teilgenommen hatte, war er auf diesem Gebiet zum Experten geworden, und schließlich war er den Partnern bei J. P. Morgan gut bekannt. Er hatte vielleicht nicht das Flair von Davison oder das urbane Savoir vivre von Thomas Lamont, aber er konnte die Sache mit Sicherheit gut bewältigen.
Das Angebot bedeutete für Strong ein echtes Dilemma und zunächst lehnte er es ab. Obwohl er wie andere New Yorker Bankiers seinen Frieden mit dem neuen System geschlossen hatte, hielt er es noch immer für einen grundlegenden Fehler und hatte sich aktiv dafür eingesetzt, es zu blockieren. Er betonte, persönliche finanzielle Erwägungen hätten seine Entscheidung nicht beeinflusst, aber es ist schwer zu glauben, dass sie keine Rolle spielten. Er besaß keinen ererbten Reichtum, er war gerade erst im relativ jungen Alter von 41 Jahren zum Präsidenten von Bankers Trust ernannt worden und hatte noch keine Gelegenheit gehabt, sich ein eigenes Vermögen zu erwerben. Wenn er das Angebot annähme, müsste er alle seine Direktorenposten aufgeben. Das Gehalt war mit 30 000 Dollar pro Jahr zwar sehr attraktiv, aber doch nur ein Bruchteil dessen, was er als Präsident einer großen New Yorker Bank verdienen konnte. Vor allem sein Schwiegervater war stark dagegen, dass Strong das Angebot annahm und sagte: »Ben wird nicht von meinem Geld leben« – es hieß, Converses Vermögen betrage über 20 Millionen Dollar, und Katharine würde also einmal ein beträchtliches Erbe erhalten. Der aktuelle Lebensstil wäre allerdings mit dem niedrigeren Gehalt nicht zu finanzieren gewesen. Erst im Jahr zuvor war die Familie – Mann, Frau, drei Kinder aus Strongs erster und zwei Töchter aus seiner zweiten Ehe – in eine luxuriöse 700-Quadratmeter-Wohung in der Park Avenue 903, einem der prestigeträchtigsten Gebäude New Yorks, gezogen. Die Wohnung nahm eine ganze Etage ein und kostete 15 000 Dollar Miete pro Jahr.
Anfang Oktober wurde Strong von Davison und Warburg zu einem Wochenende auf dem Land eingeladen. Beide beknieten ihn mit dem Argument, es sei seine Pflicht,
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